Die Lenzing AG ist Weltmarktführer bei Spezialfasern aus Zellulose. Nun dringt das Unternehmen aus Oberösterreich immer stärker auch in andere Bereiche vor. Was bei der Zelluloseproduktion übrigbleibt, wird unter anderem zu Bioessigsäure und Holzzucker weiterverarbeitet.

Markus Renner / Electric Arts

Wien – Die Lenzing AG, vor zwei Jahren noch schwer in der Krise und ganz auf Sparen aus, gibt wieder Gas – und stellt sich in der Wertschöpfungskette so breit auf wie nie zuvor. Nicht nur, dass man im Bereich der aus Zellulose gewonnenen Fasern jetzt ganz auf Spezialitäten setzt; auch die letzten Stoffe, die wirtschaftlich vertretbar aus dem Holz noch herausgeholt werden können, werden herausgeholt.

"Lenzing ist nicht nur in Kleidung, sondern auch im Gurkenglas und in Kaugummis zu finden", sagte Lenzing-Chef Stefan Doboczky am Dienstag im Klub der Wirtschaftspublizisten. Aus den Holzbestandteilen, die nicht in Zellulose aufgelöst werden, gewinnt Lenzing in der Bioraffinerie am Standort gleichen Namens unter anderem Bioessigsäure. Diese wiederum ist Bestandteil der Flüssigkeit, in der Essiggurkerl im Glas schwimmen.

Aus Holz wird Kaugummi

Ein anderes Produkt, das in der Bioraffinerie unter Mithilfe des US-Konzerns Dupont gewonnen wird, ist Holzzucker, der Verwendung in Kaugummis findet. Während früher die Abfälle verbrannt wurden, mache die "Restlverwertung" nun bereits "fünf bis sieben Prozent des Gesamtumsatzes" aus, sagte Doboczky.

Eindeutiger Wachstumstreiber aber seien die Spezialfasern. Statt auf Volumen setzt man in Lenzing nun immer mehr auf Spezialitäten wie Tencel oder Modal – Fasern, die in hochwertiger Bekleidung, aber auch im Hygienebereich Verwendung finden. Ausgangsmaterial für alle Arten von Viskose ist Zellstoff, der aus Holzchips gewonnen wird. Um die Abhängigkeit von externen Lieferanten zu verringern, investiert Lenzing 100 Millionen Euro in die eigene Zellstoffproduktion. 60 Millionen sind für den Standort Lenzing in Oberösterreich vorgesehen, 40 Millionen für den tschechischen Standort in Paskov. Dadurch soll die Gesamtkapazität um 35.000 Tonnen auf knapp 600.000 Tonnen gesteigert werden.

Das sei ein erster Schritt. "Wir wollen die Zellstoffeigenerzeugung von knapp 60 Prozent auf 75 Prozent ausbauen", sagte der Lenzing-Chef.

Werk um Werk

Ausbauen will man aber auch die Produktionskapazitäten von Tencel. Ende des Jahres soll die Entscheidung fallen, ob das geplante neue Produktionswerk in den USA, in Österreich oder Großbritannien gebaut wird. Die Errichtungskosten lägen bei 200 Millionen Euro und mehr, abhängig davon, ob man an einem bestehenden Standort baue und so Synergien nützen könne, oder irgendwo ganz neu. Die Entscheidung über den Bau eines weiteren Werks falle im ersten Halbjahr 2017, wobei dieses wohl irgendwo in Asien gebaut würde, wie Doboczky andeutete. Ziel sei in der Folge, alle zwei bis drei Jahre ein neues Tencel-Werk zu errichten, um die zu erwartende steigende Nachfrage befriedigen zu können.

Die anstehenden Investitionen glaubt man bei Lenzing überwiegend aus eigener Kraft – ohne Aufnahme von Fremdmitteln – stemmen zu können. Derzeit ist Lenzing mit sieben Werken in sechs Ländern vertreten: neben zwei in Österreich je eines in China, Indonesien, Tschechien, Großbritannien und den USA. Von den 6200 Mitarbeitern sind 2500 in Österreich beschäftigt. Am Standort Lenzing wurde die Zahl der Mitarbeiter im ersten Halbjahr 2016 um rund 100 auf aktuell 2284 aufgestockt. In der Krise, die durch den Einbruch der Faserpreise auf breiter Front ausgelöst wurde, mussten hunderte gehen. Auch das Management wurde komplett ausgetauscht.

Lenzing gehört zu 62,6 Prozent der B&C Industrieholding, gut vier Prozent hält die Oberbank, gut 30 Prozent sind Streubesitz. (stro, 12.10.2016)