Eine kleine Modifikation in seiner DNA lässt den Nacktmull schmerzfrei über Chilischoten spazieren.

Thomas Park, University of Illinois at Chicago

Berlin/Wien – Sie sind, zugegeben, nicht sehr hübsch anzusehen. Doch als Modellorganismus der Wissenschaft erfreut sich der Nacktmull seit einigen Jahren großer Beliebtheit. Das liegt an einigen erstaunlichen Eigenschaften der Tiere: Sie erkranken nicht an Krebs, ihre Zellen altern kaum, die Lebenserwartung liegt bei etwa 30 Jahren. Zum Vergleich: Eine ähnlich große Maus hält nur ein bis zwei Jahre durch.

Faszinierend ist auch die Schmerzresistenz der Tiere: Auf chemische Reize wie Säure oder Chili-Extrakt reagieren sie kaum. Forscher vermuteten die Ursache im extremen Lebensumfeld der Bewohner unterirdischer Höhlensysteme. Ein Team um Gary Lewin vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin ging nun der Unempfindlichkeit der besonderen Nagetiere auf den genetischen Grund und wurde nach zahlreichen Versuchen im sogenannten TrkA-Rezeptor der Tiere fündig.

Neuronen, die (nicht) feuern

Wenn eine Entzündung besteht, binden bei "normalen" Tieren in den sensorischen Neuronen sogenannte Nervenwachstumsfaktor-Moleküle an diesen TrkA-Rezeptor. Dadurch wird eine Kaskade von Signalen in Gang gesetzt, welche die sensorischen Neuronen letztlich losfeuern lässt. Im Gehirn wird dies dann als "Schmerz" registriert.

Ein Erbgutvergleich mit der TrkA-Sequenz 26 anderer Säugetiere sowie fünf eng verwandter Arten ergab, dass es lediglich ein bis drei winzige Veränderungen bei Aminosäuren sind, die den Rezeptor der Supernager weniger empfindlich machen. "Obwohl die Nacktmull-Version des TrkA-Rezeptors fast identisch mit der einer Maus oder Ratte ist, gibt es einen deutlichen Effekt auf die Fähigkeit der Tiere, Schmerz zu empfinden", erklärt Lewin.

Die thermale Hyperalgesie hat einen schützenden Effekt: Durch Verletzung oder Entzündung vorgeschädigtes Gewebe soll vor weiteren Schäden bewahrt werden. Für Nacktmulle sei es aber wohl vorteilhafter, auf das Schmerzsystem zu verzichten: In der heißen Lebenswelt der dicht gedrängt in unterirdischen Kolonien hausenden Tiere schade es eher, als es nutze.

Zudem leben Nacktmulle in ständigem Mangel. Aus diesem Grund ist es ein sinnvoller Schritt der Evolution, an jedem noch so kleinen System zu sparen, das für die Körperfunktion nicht dringend benötigt werde. (dpa/red, 11.10.2016)