Eine Niqab-Trägerin, gesichtet in München: Seit auch in Wien immer mehr vollverschleierte Frauen zu sehen sind, fordert Minister Kurz ein Verbot – die SPÖ sträubte sich in den Verhandlungen dagegen.

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Wien – Obwohl schon seit Juni in Planung, verhandelten die Koalitionäre quasi bis zur letzten Minute über ihr neuestes Integrationspaket, das am Mittwoch im Ministerrat abgesegnet werden soll. Denn bis zuletzt galten besonders plakative Maßnahmen zwischen Rot und Schwarz als strittig, wie ein Rundruf in den befassten Kabinetten ergab.

Ein Insider zum Verhandlungsstand am späten Dienstagnachmittag: "Gerade werden die Entwürfe hin und her geschickt, und es wird darin herumgestrichen." Zu diesem Zeitpunkt war schon klar, dass es die Regierung wohl nur zu einer Art "Zwischenpaket" bringen würde. Bedeutet: dass sie – mangels Einigung in bestimmten Punkten – wohl weitere Integrationspakete schnüren muss.

Als unumstritten galt zwischen SPÖ und ÖVP jedoch, dass die Deutsch- und Wertkurse landesweit auch für Asylwerber mit hoher Bleibewahrscheinlichkeit ausgebaut werden sollen. DER STANDARD gibt einen Überblick, in welchen Punkten es sich bis zuletzt aus guten Gründen spießte.

Eingewöhnung versus Ein-Euro-Jobs Die SPÖ pocht nach wie vor auf ein Integrationsjahr, mit dem die Menschen für den heimischen Arbeitsmarkt gerüstet werden sollen – etwa mithilfe von Deutschkursen, Kompetenzfeststellungen und Bewerbungstrainings. Dazu drängte die rote Seite rund um Staatssekretärin Muna Duzdar darauf, entsprechende Maßnahmen auch gleich für Asylwerber bereitzustellen, um deren Perspektiven in der Wartezeit auf ihren Bescheid zu verbessern.

Die ÖVP hingegen – also die Verhandler von Integrationsminister Sebastian Kurz und Innenminister Wolfgang Sobotka – beharrt darauf, dass anerkannte Flüchtlinge, die Mindestsicherung beziehen, zu gemeinnütziger Arbeit verpflichtet werden können – und zwar mit Ein-Euro-Jobs. Nicht zu verwechseln mit jenen 2,50-Euro-Jobs, zu denen Sobotka Asylwerber in der Grundversorgung, also Personen, die über keinen positiven Bescheid verfügen, heranziehen würde. Ebenfalls ein schwarzes Anliegen: dass es die volle Mindestsicherung erst nach fünf Jahren rechtmäßigen Aufenthalts geben soll.

Dem Vernehmen nach stemmten sich die Roten gegen die Einführung der Ein-Euro-Jobs nicht zuletzt deswegen, weil mit einer solchen Bestimmung konsequenterweise auch langzeitarbeitslose Mindestsicherungsbezieher mit österreichischer Staatsbürgerschaft zu dieser Form von Tätigkeiten vergattert werden könnten. Auch Verfassungsexperten hatten im Vorfeld vor einer allfälligen Ungleichbehandlung von Asylberechtigten und "Einheimischen" gewarnt, weil dies dem Gleichheitsgrundsatz widerspreche.

Vollverschleierungsverbot versus Erziehung zur Gleichberechtigung Hier bestätigten am Dienstag beide Seiten, dass eine Einigung bis Mittwoch als eher unwahrscheinlich gelte. Denn der schwarze Plan, der vor allem auf strenggläubige Musliminnen abzielt und von Integrationsminister Kurz stets vehement vorgebracht wurde, stieß beim Koalitionspartner ebenfalls auf Ablehnung. Konkret kamen für den Minister mehrere Varianten in Betracht – etwa ein "Burka-Verbot" im gesamten öffentlichen Raum, aber auch ein Verbot nur in öffentlichen Gebäuden.

Staatssekretärin Duzdar und die SPÖ-Frauen sind zwar persönlich gegen ein Tragen von Burka und Niqab, spielten offenbar aber auf Zeit, um die Debatte zu versachlichen. Ihre Befürchtung: dass vollverschleierte Frauen bei einem Verbot gar nicht mehr auf die Straße gehen und stattdessen ganz zu Hause bleiben (müssen).

Koranverteilung Bis zuletzt feilten die Verhandler auch an einer Lösung, wie man künftig die Koranverteilung durch Salafisten eindämmen könnte. Beide Seiten gaben sich im Vorfeld ob eines Kompromisses zuversichtlich. (Marie-Theres Egyed, Nina Weißensteiner, 11.10.2016)