Von einem Traumlauf bei Traumwetter auf einer Traumstrecke, 140 Isländern, dem Pacen und dem Gepaced-Werden und dem Mann, der barfuß und im Frack dem Pulk entgegen lief: beim Dreiländermarathon in Bregenz

Vorarlberg also. Oder eigentlich Bayern. Und das an einem Tag, der zum Laufen traumhafter nicht hätte sein können: Trocken, frisch und praktisch windstill. Auf einem landschaftlich wunderschönen, abwechslungsreichen Kurs, auf dem sich Stadt- und Landimpressionen die Waage hielten, an dem es ein paar echte Schmankerln gab – und der trotzdem jedermann- und jederfrautauglich ist: Flach ist nämlich gar kein Ausdruck. No na, wenn man den meisten Teil der Strecke an einem Seeufer läuft. Viele, aber nicht zu viele Menschen ringsum. Alle fröhlich. Aber vor allem: Mit meinem Lieblingsmenschen. Besser und schöner geht nicht. Und genau das war der Dreiländermarathon für mich: schön. Superschön.

Foto: Thomas Rottenberg

Aber der Reihe nach. Das Leben als Laufblogger hat – ähnlich dem eines Reise- oder sonstigen Fachjournalisten – durchaus seine Vorteile. Einladungen zu Reisen etwa. Dass man da dann meistens auch ein bisserl laufen muss, ist verkraftbar. Und wenn die Veranstalter vom (offiziell) "Sparkasse-3-Ländermarathon" und die Betreiber der Flugstrecke Wien–Altenrhein anfragen, ob man an dem Traditionslauf von Lindau den Bodensee entlang über die Bregenzerfestpielbühne in die Schweiz und dann wieder zurück nach Bregenz mit dabei sein will, klänge "Nein, danke" irgendwie blöd. Schließlich gilt der Lauf zum einen als Klassiker unter den schönen Läufen – und ist zum anderen absolut unvorhersehbar. Wettertechnisch. Von brüllheißsonnig bis arschkaltgraupelscherstürmisch soll es hier schon alles gegeben haben – und auf der langen Uferpromenade ist man Wind und Wetter schutzlos ausgesetzt.

Foto: Sparkasse-3-Ländermarathon/Philip Steurer

Der Dreiländerlauf ist ein mittelgroßer Lauf. 7.000 Starterinnen und Starter gehen über die 42-, die 21- und die 10-Kilometer-Distanz. Es gibt auch Walker-, Handbikerwertungen (am gleichen Tag) und Kinderläufe (am Tag vor dem Rennen). Und auch wenn eine Freundin und Volksschullehrerin sofort "Aha, so wie in Linz also?" fragte (vom Linz-Marathon war heuer ein Bild von ihre heulenden Kinder wortwörtlich hinter sich her schleifenden, von groteskem Ehrgeiz zu Furien gemachten Eltern um die Welt gegangen), war mein subjektiver Eindruck der, dass es hier so zuging, wie es zugehen soll: spielerisch. Kinder wollen rennen – also lässt man sie. Und wenn sie nicht wollen: auch gut. Alles kann – niemand muss.

Foto: Thomas Rottenberg

Ach ja, eins noch: Beim Dreiländermarathon wurden heuer die Sieges- und Preisgelder nur an Teilnehmer aus den belaufenen Ländern ausbezahlt. Darüber kann man diskutieren. Fakt ist, dass es in Europa mittlerweile eine blühende Preisgeldabholwirtschaft von geschäftstüchtigen (europäischen) Managern gibt, die für afrikanische Verhältnisse gerade einmal mittelgute Läufer zu mittelgroßen und kleineren Events schicken. Die Afrikaner blasen die heimischen Läufer weg, ziehen mit den Preisgeldern ab – und müssen den Löwenanteil an ihre weißen "Förderer" abliefern. Bei internationalen, großen und tatsächlich für den Aufbau von Spitzenläufer-Karrieren relevanten Events lässt der Manager sie aber nicht antreten: zu viel Konkurrenz. Dennoch wird der lokalen Laufelite bei kleineren Events damit die Chance auf gute und schöne Platzierungen und Titel genommen.

Ich bin in diese Frage gespalten: Natürlich klingt die Maßnahme auf den ersten Blick rassistisch und diskriminierend. Gleichzeitig sagte mir – als ich in Äthiopien beim "Great Ethiopian Run" zufällig auf einen Scout traf, der hier schon früh nach tatsächlich großen Talenten gesucht hatte – eben dieser Mann, dass es sich hier um einen "für einige weiße Unternehmer sehr lukrativen afrikanischen Lebendfleischmarkt" handle. Und alles, was man da jetzt dazu assoziiere, "absolut zutreffend" sei.

Foto: Thomas Rottenberg

Zurück zum Dreiländermarathon als Volkslauf: Neben den landschaftlichen und atmosphärischen Standalones hatte der Lauf heuer auch eine echte Weltpremiere zu bieten: Einen "Geisterläufer" nämlich. Der aus Tirol stammende Musiker Bepe Meilenstein würde den Lauf andersrum laufen. Start im Ziel – dann dem Pulk entgegen – und der Zieleinlauf über die Startlinie in Lindau. Meilenstein würde – ganz Musiker – im Frack laufen. Aber dennoch so, wie er immer läuft: barfuß. Obwohl das sein erster voller Marathon werden würde. "Und ich schon ein bisserl Angst habe, dass ich im Ziel auf den Knochen unterwegs sein werde", scherzte er: Bepe und seine Frau Rita waren im gleichen Hotel wie ich und meine Freundin untergebracht. Und wir liefen uns natürlich ständig über den Weg. Also erzählte der Musiker mir schon vorab, wie er auf die Idee des verkehrten Marathons gekommen war: "Ich war einmal bei wenig Schnee auf einer Kunstloipe unterwegs, auf der auch Leistungssportler trainiert haben. Irgendwann ging mir das ständige Überholtwerden so auf die Nerven, dass ich einfach umgedreht habe. Anfangs waren alle irritiert – aber ich finde es spannend, zu sehen, wie Leute reagieren, wenn man gegen den Strom schwimmt."

Foto: Thomas Rottenberg

Auf derartigen Trips den Lieblingsmenschen mitzunehmen ist nicht üblich: Ich kenne Journalisten, die prinzipiell mit Partner oder Partnerin verreisen – und das für einen selbstverständlichen Teil der Einladung durch den Veranstalter halten. Ich sehe das nicht so: Meine Freundin war als Vollzahlerin am Bodensee. Anders hätten weder sie noch ich das akzeptiert. Auch dem Veranstalter war das vollkommen klar.

Abgesehen davon, dass es immer netter ist, in selbstgewählter Gesellschaft (Pressereisen in der Gruppe können da nämlich recht "lustige" Konstellationen ergeben …) unterwegs zu sein, gab es auch einen praktisch-taktisch läuferischen Grund, dass wir zu zweit hier waren.

Foto: Thomas Rottenberg

Ich hatte mich – es war hier schon ausführlich davon die Rede – im Frühjahr ja so richtig kaputt gemacht: Wenn man eine Million Kleinst-Auas nie ordentlich ausheilen lässt, sondern nur drüberlackiert, ist das nicht weiter verwunderlich: Nach dem – extrem langsam gelaufenen – Halbmarathon in Linz hatte ich tagelang solche Schmerzen, dass ich tagelang weder normal gehen noch sitzen konnte. Die Sehnenplatte am linken Oberschenkel hatte komplett zugemacht – und es war ein langer, schmerzhafter, aber auch lehrreicher Weg zurück, den ich ohne meine Trainerin Sandrina Illes, meinen Physiotherapeuten Andreas Lichtenwörther, die Ärzte der Sportordination Wien und Rainer Mittermayer vom Stosswellenzentrum Wien nie geschafft hätte.

Was mir aber neben dem Medizinisch-Therapeutischen wohl am Weg am meisten zurück gebracht hat, war Yoga. Genauer: Hot-Yoga, um genau zu sein. Wegen Koordination, Dehnung und Stabilität auf der einen Seite – und allem, was auf der Matte im Kopf passiert.

Foto: Thomas Rottenberg

Dennoch: Für einen vollen 42er fehlen mir schlicht und einfach die nötigen Kilometer in den Beinen. Und über Tempo und Tempohärte (in meiner Liga halt) denke ich frühestens im Frühjahr wieder nach: Jetzt schon auf Anschlag zu laufen, wäre das sichere Ticket zurück in die Laufpause. Aber ein lockerer Halbmarathon? Allerweil.

Und genau hier kommt meine Freundin dann auf die Bühne: Sie ist im Vorjahr in der Wachau ihren ersten Halbmarathon gelaufen. Allein, mitten im Feld – und hat die Zwei-Stunden-Grenze um ein paar Minuten verfehlt. Hier, am Bodensee würden wir gemeinsam unterwegs sein. Ihr Job: Meinen Selbstzerstörungstrieb ein bisserl in Zaum halten. Ich würde dafür ein bisserl pacen: Ziehen und bremsen, bei Bedarf hinter ihr allzu eng drängelnde Ehrgeizler abblocken – und als Wasserträger und Traubenzuckercaterer dienen.

Foto: Thomas Rottenberg

Raceday. Lindau ist wunderschön. Ich war früher schon hier – aber immer nur auf Dreh. Also möglichst schnell und effizient Motive und Licht ausnutzen – und wieder weg. Vor dem Start zu einem Lauf ist das dann anders: Da hat man Zeit und Muße, sich ein bisserl umzusehen. Stadt und Menschen zu beobachten. Unter anderem die 140 Isländer, die an den Bodensee gereist waren. 120 würden laufen. Umgelegt auf die Gesamtbevölkerung des sympathischen Inselstaates entspräche das wohl einer Abordnung von mehr als 6.000 Schweden. Wow.

Doch so wirklich wussten auch die Veranstalter nicht, wieso so viele Isländer am Bodensee laufen wollen: Schon im Vorjahr waren knapp 100 hier. Aber auch die Wikinger-Nachfahren konnten das "Warum ausgerechnet hier" nicht schlüssig erklären: "Wir reisen eben gern. Hier sind heuer zwei große isländische Laufgruppen: Der Lauf ist ja schön – und das wollen wir nicht versäumen."

Foto: Thomas Rottenberg

Ja, schön ist er wirklich, der Lauf. Und zwar praktisch vom ersten Schritt an: 7.000 Läuferinnen und Läufer sind zwar für die schmalen Wege und Straßen ein ordentlicher Brocken – aber mit ein bisserl Startblockdisziplin, zurückgeschraubtem Ehrgeiz und dem Bewusstsein, dass man hier mit- und nicht gegeneinander läuft, ist man binnen Minuten locker, zügig und fröhlich unterwegs.

Mein Plan, Herzdame auf einer halbwegs konstanten 5´40"er-Pace in der Nähe des Zwei-Stunden-Schrittmachers zu halten, ging allerdings nicht auf: Sie gab – eh klar – recht rasch Gas und ließ sich nur mit einem kleinen bisserl Mühe auf ein Tempo drosseln, das mir bis zum Schluss halbwegs realistisch schien. Das ist vollkommen normal: Einen Langstreckenlauf verliert man zu Beginn – und gewinnt ihn am Ende. Und die Routine, dann, wenn alle begeistert "Hurra" brüllen und wie die Irren vorpreschen, eben nicht aufs Gas zu steigen, müssen sich auch lang- und längstdienende Läufer immer wieder neu erarbeiten.

Außerdem weiß ich, dass meine Freundin ein "tough cookie" ist – und so winkten wir dem 2:00er-Fahneträger freundlich zu – und zogen vorbei.

Foto: Thomas Rottenberg

Die deutsche Grenze hatten wir nach ein paar Kilometern erreicht. Und staunend stellten wir fest, dass wir hier schon gestern, beim Beineausschüttellauf am Samstag, vorbeigekommen waren. Nur: Da waren halt keine Fahnen aufgestellt gewesen – und weil wir am Waldweg gelaufen waren, stand da auch kein Schild. Braucht man ja auch nicht wirklich. Obwohl ich es rückblickend schon interessant finde, dass da nicht "Republik Österreich", sondern "Vorarlberg" steht. Aber vielleicht habe ich diese Tafel ja einfach übersehen. Ziemlich sicher sogar.

Foto: Thomas Rottenberg

Wenn man einmal in Österreich ist, läuft man recht bald direkt am See. Auf der Promenade zieht sich der Pulk sehr rasch wie ein Strudelteig in die Länge – und das Schöne am Eine-Spur-zu-weit-hinten-Starten (oder eben Ein-bisserl-schneller-als-geplant-Laufen) ist, dass man nicht ständig überholt wird, bis man im richtigen Block heimisch geworden ist, sondern das Feld von hinten aufrollt. Das motiviert und macht daher gleich doppelt Spaß. Und wenn das Wetter dann auch noch passt, ist die Welt in Ordnung. Mehr als in Ordnung.

Foto: Thomas Rottenberg

Meiner Freundin ging es gut. Sie hatte relativ rasch eine Schweizer Läuferin gefunden, die nicht nur ziemlich genau ihre Wettkampfpace lief, sondern auch eine annähernd gleiche Schrittlänge und Schrittfrequenz. Das ist bei unseren Paar-Läufen nämlich immer eine Sollbruchstelle.

Für mich war es auch super, dass da jemand anders meinen Job machte: Ich hatte Spielraum, ein bisserl vorzulaufen oder mich zurückfallen zu lassen – und das Feld und den Lauf genauer zu beobachten.

Foto: Thomas Rottenberg

Das Wetter war tatsächlich traumhaft. Sonnig, aber dennoch frisch. Ich liebe das. Auch, weil man dann die schöneren Ausblicke hat. Es ging zügig, aber doch entspannt dahin. Meine Freundin lief ohne sichtbare oder sonstwie artikulierte Probleme schön und konstant mit ihrer Schweizer Kollegin. Vor uns, weit weg, war immer wieder die Fahne des 1:55er-Schrittmachers kurz zu sehen – und die 2:00er-Gruppe lag schon ein ordentliches Stück hinter uns: Immer gut, einen Puffer zu haben. Aber, hoffte ich, den würden wir nicht brauchen.

Foto: Thomas Rottenberg

Der langgezogene Ufer-Bogen führt den See entlang – und spuckt die Läuferinnen und Läufer dann beim Bregenzer Hafen aus. An den Schiffen vorbei, mit denen viele der Teilnehmer ein paar Stunden zuvor zum Start gefahren sind, geht es dann Richtung Festspielhaus.

Plötzlich kam Unruhe ins Feld. Irgendwas war da vorne. Ein Hindernis? Ein Unfall? Nein. Zuerst kam ein Motorrad – und dann war er plötzlich da: der Mann im Frack, Bepe Meilenstein. Er war schon vor 9 Uhr gestartet, hatte das Feld der Marathonläufer (die waren knapp nach 9 Uhr los) schon passiert und traf jetzt auf den Hauptblock: die mittelschnellen Halbmarathonis, die gerade mal neun Kilometer in den Beinen hatten. Bepe hatte ab hier also nur mehr eine einstellige Kilometerzahl vor sich. "Und es geht mir gut!", rief er mir zu.

Foto: Thomas Rottenberg

Die Versorgung entlang der Strecke funktionierte hervorragend. Und die relative Lockerheit des Feldes ersparte uns auch eines der sonst oft nervenden Wasserstellen-Probleme: Geher und Steher, die mitten auf der Bahn stehen und plötzlich die Strecke blockieren.

Unser Plan funktionierte also – hätte es aber auch ohne Planung getan. Meine Freundin lief Ideallinie, ich brachte die Becher – und sorgte dafür, dass sie nicht mitten auf der Strecke liegen bleiben würden. Wenn man die Zeit hat, ist das einfach ein freundlicher Akt den Nachkommenden gegenüber.

Foto: Thomas Rottenberg

Eines der Highlights des Dreiländermarathons ist das Durchlaufen der Tribüne der Bregenzer Festspiele. Ich hatte das Bild am Tag zuvor schon mit den Kindern gesehen und erlebt. Und stellte jetzt fest, dass das als Hingucker wohl mehr kann als Erlebnis für die Läufer: Klar ist es etwas Außergewöhnliches, hier durchzurennen. Und klar ist das etwas, woran man sich erinnert. Und die Bilder sehen auch fein aus – nur: Um da wirklich den totalen Flash zu bekommen, musste man halt zur Festspielzeit herlaufen, wenn die Bühne voll aufgebaut ist.

Aber: Dass das nicht geht und auch touristisch nicht wirklich schlau wäre, verstehe sogar ich.

Foto: Thomas Rottenberg

Nach dem Festspielhaus geht es Richtung Schweiz. Durch Park und Waldlandschaften. Immer wieder mit feinen Blicken auf den See. Traumhaft.

Foto: Thomas Rottenberg

Stellenweise wird der Weg da ein bisserl winkelig und kurvig, Asphalt wechselt mit Schotter, und hin und wieder geht es auch kurz sanft bergauf.

Foto: Thomas Rottenberg

Aber hier haben die meisten Läufer ohnehin schon ein bisserl Dampf aus ihrer Performance genommen. Man trabt und läuft – und beginnt, erste Energiebilanz zu ziehen: Wie viele Körner habe ich noch? Wie viel kann ich jetzt investieren? Was halte ich zurück? Kann ich abschätzen, wie es mir in fünf oder sechs Kilometern gehen wird?

Foto: Thomas Rottenberg

Irgendwann kommt aber dann der Moment, an dem jeder Läufer und jede Läuferin ansteht. Auch das gehört dazu. Ist vollkommen normal – und kann auch trotz der besten Vorbereitung passieren. Klar: Wer früher seine Körner verbrennt, riskiert eher, dem Mann mit dem Hammer zu begegnen. Plötzlich leer zu sein. Ausgebrannt. Läuft in einen Hungerast: Wenn man hier ankommt, helfen Energy-Gel, Freunde – und der Wille. Und man muss runter vom Gas.

Bei uns? "Unsere" Schweizerin hatte zwischenzeitlich Gas gegeben und war außer Sichtweite. Meine Freundin kämpfte. Tapfer und ohne zu jammern. Ich war jetzt im Traktor-Modus – und ging mit dem Tempo runter: Würde der Puffer auf den 2:00er-Pulk halten?

Foto: Thomas Rottenberg

Plötzlich war die Dame aus der Schweiz wieder da. Lief ebenfalls unser – nun langsameres – Tempo. Ich ging wieder auf Motivjagd, und sah zufällig Werner Battisti am Straßenrand stehen. Battisti ist der Gründer und Eigentümer des Funktionswäschelabels Skinfit – und damit nicht nur einer der Hauptsponsoren des Events, sondern auch Co-Veranstalter. Global gesehen ist Skinfit ein Zwerg am Markt. National betrachtet ein respektabler Player im Hochpreis-Segment, der vor allem im Triathlonbereich Kultstatus genießt. Aber in Vorarlberg hat das nicht ganz 20 Jahre alte Label Platzhirschstatus. Nicht nur auf der Laufstrecke – auch am Berg. Und in der Fußgängerzone in Bregenz bei all jenen, die sich sportlich zeigen wollen. (Mehr über das Label, seine Philosophie und den Kult rundherum gibt es demnächst im RONDO).

Foto: Thomas Rottenberg

Doch mit Quatschen war nix: "Thomas! Wo bist du?" Meine Freundin brauchte mich: Die Schweizerin war eingegangen. Schlagartig. Sie kam dann zwar wieder, holte uns auch locker ein – aber jetzt musste ich arbeiten: Zurück in den Traktor-Modus. Für die letzten zwei, drei Kilometer. Meine Freundin wollte nur noch ankommen: "Halt die Klappe und bring mich da jetzt durch." Klingt unfreundlich – war aber genau das, was ich hören wollte: Sie hatte alles gegeben – und lief jetzt gerade noch nicht auf Reserve. Sie hatte bis hierher alles richtig gemacht – auch wenn sich das in dem Augenblick nicht so anfühlt.

Foto: Thomas Rottenberg

Die letzten paar hundert Meter beim Dreiländerlauf sind dann kein Spaziergang, sondern eine fette Party: Da biegt man aus dem Wald und dem Park ins Stadion – und: BUMM! Stimmung, Menschen, Jubel, Anfeuern. Der Platzsprecher liest die Namen auf den Startnummern, begrüßt die Finnisher. Und der Jubel und das Getöse verleihen auch den müdesten Läuferinnen und Läufern noch einmal Flügel: Zumindest die Mundwinkel heben da ab. Und wer strahlend über die Ziellinie fliegt, der fragt in dem Augenblick nicht nach der Zeit.

Foto: Thomas Rottenberg

Und auch in der Sekunde danach nicht: Fünf Meter hinter der Ziellinie gab es die Medaillen. Zehn Meter weiter war der Rasen. Dort war es dann vorbei: Wenn der Körper mitbekommt, dass die Qual vorbei ist, dass man alles und ein Eitzerl mehr gegeben hat, kommt schlagartig der Moment, in dem alle Energie weg ist. Komplett. Endgültig. Aus.

Da zu Boden zu gehen, ist keine Schande. Ganz im Gegenteil. Denn in diesen Augenblicken erkennt der Körper, erkennt der Kopf, erkennt alles in einem selbst, dass man etwas geschafft hat. Dass man den einzigen Gegner bezwungen hat, der zählt: sich selbst nämlich. Und zwar vollkommen unabhängig davon, was andere sagen, denken oder tun: "Das war das Härteste, was ich je gemacht habe", sagte Herzdame, als sie die Augen wieder aufmachte. Eine Sekunde konnte sie später schon wieder grinsen. "Bis jetzt halt …" Und das macht mir jetzt fast ein bisserl Angst.

Ach ja, unsere Zeit: 1:56:00. Aber das sind nur Zahlen.

Mehr Geschichten vom Bodensee und vom Laufen gibt es unter www.derrottenberg.com

Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Die Reise an den Bodensee war eine Einladung von Sparkasse-3-Ländermarathon und People’s Viennaline.

Foto: Thomas Rottenberg