Aubin: "Ich liebe dieses Spiel, und es ist Teil meines Lebens, seit ich mich erinnern kann."

Foto: Standard/Hirner

"Kleinigkeiten machen den Unterschied aus. Man kann nicht jedes Spiel gewinnen, aber ich will immer vollen Einsatz sehen."

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"Wow, Wien ist eine schöne Stadt, es gibt so viel zu tun hier, es ist unglaublich, ein großartiger Platz zu leben", schwärmt Serge Aubin, der die Vienna Capitals als Headcoach an die Spitze der Eishockeyliga EBEL geführt hat, im Gespräch mit dem STANDARD. Die Caps sind fulminant in die Saison gestartet, feierten sieben Siege en suite, ehe sie am letzten Sonntag im Heimspiel gegen den Villacher SV die erste Niederlage (1:3) einstecken mussten.

Der in Québec geborene Ex-NHL-Spieler führt den nahezu perfekten Start zu einem großen Teil auf eine perfekte Vorbereitung zurück. "Die Spieler sind bereits in wirklich guter Verfassung ins Trainingscamp gekommen, sie waren sehr engagiert, wenn es darum ging, Abläufe zu ändern. Sie waren offen für meine Ideen und einen neuen Coaching-Style. Alle haben extrem hart gearbeitet. Großes Engagement und harte Arbeit zahlen sich einfach aus, darum haben wir Erfolge gefeiert", bilanziert der 41-Jährige nach acht Runden.

Im Spiel gegen den VSV waren die Caps nicht so bei der Sache wie in den Spielen davor. Sie haben gesehen, wie schnell es gehen kann in dieser ausgeglichenen Liga. "Kleinigkeiten machen den Unterschied aus. Man kann nicht jedes Spiel gewinnen, aber ich will immer vollen Einsatz sehen", sagt Aubin.

Leidenschaft und richtige Arbeitseinstellung seien die Schlüssel zum langfristigen Erfolg. Beides müsse an jedem einzelnen Tag stimmen. Darüber hinaus brauche es Konstanz. Außerdem dürfe man nicht abheben, wenn es läuft und nicht zu tief fallen, wenn es mal nicht klappt.

Charakter- und Geschwindigkeitsfrage

Aubin verlangt von seinen Spielern, "alles zu geben, den Tank zu leeren um hernach nichts zu bereuen". Wichtig sind ihm Spieler mit Charakter, die nie aufgeben, immer ihr Bestes geben und auch wieselflink sind. In den letzten Jahren habe sich das Hockey verändert, Haken gehe praktisch gar nicht mehr und man müsse daher viel schneller sein.

Die Caps mit ihren 24 Spielern sind eine große Familie, eine Einheit, die zusammen gewinnt und verliert. Keiner wird hervorgehoben, jeder wird gebraucht. Das ist Aubins Philosophie. "Wir haben eine Umgebung geschaffen, in der jeder seine Aufgabe hat und diese auch annimmt. Wir haben einen guten Job gemacht, deshalb sind wir auch erfolgreich".

In sehr hohen Tönen schwärmt er von den jungen Talenten, die allesamt ein großes Spielverständnis mitbringen. "Sie sind eine stille Kraft und auch wenn sie nicht die großen Tore schießen, so machen sie vieles sehr gut und sind imstande, immer mal wieder ein Momentum zu kreieren". Er ist sehr zufrieden mit Dominic Hackl, der als junger Verteidiger einen schweren Job hat, Felix Maxa, Sascha Bauer, Julian Großlercher und Benjamin Nissner. "Sie sorgen für internen Druck, den wir benötigen um mit jedem Tag besser zu werden".

Herausforderung Champions Hockey League

Der Kanadier ist ein Fan der Champions Hockey League, weil in dem Format komplett verschiedene Hockey-Stile aufeinanderprallen, das Niveau hoch ist und die Spieler anders als in der Liga gefordert sind, weil sie die Gegenspieler nicht von zig Aufeinandertreffen kennen. "Die CHL ist eine große Herausforderung für Spieler und Trainer". Ein Problem ist allerdings schon, dass die Spieler im August noch nicht wirklich in Form sind. "Davon abgesehen ist es irgendwie verrückt, wenn bei hochsommerlichen Temperaturen Eishockey gespielt wird".

Ein Saisonziel will Aubin nicht definieren. Nicht in der Vergangenheit, nicht in der Zukunft, sondern im Jetzt zu leben ist wichtig. Von Spiel zu Spiel denken, sich weiterentwickeln, lernen die Emotionen zu managen. Natürlich hofft er, dass sich die Caps direkt für die Playoffs qualifizieren können und dass die Spieler dann bereit und fit sind. "Wir arbeiten wie alle anderen darauf hin, die Meisterschaft zu gewinnen, aber nur ein Team kann dieses Ziel erreichen".

Die Erwartungshaltung von allen im Verein ist hoch, Druck verspürt er jedoch keinen, außer dem, den er sich selbst macht, um ein guter Trainer zu sein. Er sieht seine Arbeit als Chance, etwas Großes zu erreichen. "Ich werde am Ende der Saison glücklich sein, wenn ich feststelle, dass wir alles getan haben, was möglich war".

Im Heimspiel am Freitag in der Albert-Schultz-Halle (19.15 Uhr) gegen Fehervar wollen die Caps wieder auf die Siegerstraße zurückkehren. "Siegerteams zeichnet aus, dass sie nicht mehrmals hintereinander verlieren. Ich erwarte mir für uns und die Fans, dass wir eine klare Reaktion zeigen, und aus der Niederlage gelernt haben".

Überraschendes Aus in Hamburg

Der Mann, der mit vier Jahren zum ersten Mal über kanadisches Eis schlitterte, pflegt einen von nordamerikanischem und europäischem Eishockey geprägten Stil. Er kam vor zehn Jahre nach Europa, war zuletzt fünf Jahre Trainer der Hamburg Freezers und hat in dieser Zeit "ein gutes Gefühl für das Eishockey auf dieser Seite des Ozeans entwickelt". Als die Freezers im Mai nicht mehr um eine Lizenz in der DEL ansuchten, musste er sich rasch einen neuen Job suchen. "So ist das Leben, man muss sich vorwärts bewegen". Aubin, der auch ein Angebot aus der Schweiz vorliegen hatte, entschied sich schlussendlich für Wien. "Mir gefällt die Vision des Vereins und die Richtung, die eingeschlagen wurde".

Ein wesentlicher Unterschied zu Deutschland ist, dass hierzulande wesentlich mehr junge Spieler eine Chance kriegen und zum Einsatz kommen. Wie groß eigentlich der Unterschied zur NHL ist, will Aubin nicht abschätzen, "bei allem Respekt, mit der besten Liga der Welt lässt sich keine andere vergleichen, auch nicht die KHL, weiß der 374-fache NHL-Spieler (44 Tore, 64 Assists, 361 Strafminuten), der zwischen 1998 und 2006 bei Colorado Avalanche, den Columbus Blue Jackets und den Atlanta Trashers insgesamt sieben Saisonen meist als Center zum Einsatz kam. "Es war ein Privileg in der NHL zu spielen, es war großartig, ich werde das nie vergessen", sagt er mit strahlenden Augen.

"Ich liebe dieses Spiel und es ist Teil meines Lebens, seit ich mich erinnern kann". Was in der Hockey-Welt passiert ist, ist das Erste, was ihn in der Früh interessiert. Die vielen Details haben ihn stets fasziniert und auch die Frage, was eigentlich den Unterschied ausmacht.

Gretzky, Lemieux, Jágr

Ein besonderer Moment war sein erstes NHL-Spiel 1998, bei dem ein gewisser Wayne "The Great One" Gretzky im gegnerischen Team bei den New York Rangers spielte. Bei den Pittsburgh Penguins, die ihn 1994 drafteten, trainierte er gemeinsam mit den Eishockey-Giganten Mario Lemieux (CAN) und Jaromír Jágr (CZE). Das Trikot von Team Kanada trug er bei vier Spengler-Cup-Turnieren. "Ich hatte großes Glück, das war etwas sehr Spezielles!"

Wenn er sich mal gerade nicht mit Eishockey beschäftigt, seinen Lieblingssport mal nur im Hinterkopf hat, dann nimmt sich der verheiratete Vater von drei Kindern Zeit für die Familie, die natürlich öfter zu kurz kommt. "Es ist kein einfaches Leben, wenn man alle zwei Jahre umziehen und die Schule wechseln muss. Ich bin dankbar, dass sie mir diesen Job ermöglichen". Schön ist, dass man viel durch die Welt reist, unterschiedliche Länder, Städte und Leute kennenlernt. "Hockey is a great way of life!" (Thomas Hirner, 13.10.2016)