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Für Paul Ryan, den republikanischen Sprecher des Repräsentantenhauses, ist das Maß voll: Er will Donald Trump nicht mehr verteidigen.

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Washington – Mit seinem aggressiven Auftritt im zweiten TV-Duell mit Hillary Clinton hat der US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump die Absetzbewegungen in der eigenen Partei nicht aufhalten können. Kurz nach der Debatte verkündete am Montag der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, Paul Ryan, dass er keinen gemeinsamen Wahlkampf mit Trump mehr machen wolle.

Die Veröffentlichung eines Videos mit obszönen Auslassungen über Frauen hatte Trump kurz vor der Debatte einen schweren Schlag versetzt. Unter den Republikanern sind seither die Sorgen gewachsen, dass die gesamte Partei von Trump in den Abwärtsstrudel gerissen wird – und als Folge nicht nur die Präsidenten-, sondern auch die am 8. November gleichzeitig stattfindenden Kongresswahlen verloren gehen.

Ryan sagte in einer Telefonkonferenz mit Abgeordneten, er werde Trump nicht mehr verteidigen und nicht mehr mit ihm auftreten. Wie ein Teilnehmer der Konferenz berichtete, kündigte der ranghöchste Amtsträger der Republikaner an, dass er sich nun voll darauf konzentrieren wolle, die Mehrheiten der Partei in Repräsentantenhaus und Senat zu verteidigen.

Kampf um Kongress

Die kolportierten Äußerungen deuten darauf hin, dass Ryan das Rennen um das Weiße Haus schon abgeschrieben hat. Ryan wolle verhindern, dass Clinton als Präsidentin durch einen von den Demokraten kontrollierten Kongress einen "Blankoscheck" bekomme, hieß es.

Trump reagierte verärgert. Ryan solle mehr Zeit darauf verwenden, für einen ausgeglichenen Haushalt zu sorgen und sich für neue Jobs und gegen illegale Einwanderung einzusetzen, als den eigenen Präsidentschaftskandidaten zu bekämpfen, schrieb Trump auf Twitter.

Der Vorsitzende der Republikaner, Reince Priebus, betonte hingegen nach Angaben von zwei Mitgliedern des nationalen Organisationsgremiums der Partei, dass die Führung nicht mit Trump gebrochen habe. "Wir sind vollständig an Bord", sagte eine der Personen, die anonym bleiben wollte. Das Gremium, das unter anderem das Sammeln von Wahlkampfspenden koordiniert, werde sich uneingeschränkt dafür einsetzen, dass Trump die Wahl in knapp einem Monat gewinnt.

Trump verliert weiter

Eine neue Umfrage gibt unterdessen den unter den Republikanern grassierenden Sorgen neue Nahrung. Demnach verlor Trump nach der Veröffentlichung des heimlichen Mitschnitts aus dem Jahr 2005 nochmals drastisch an Boden.

Clinton lag demnach bei 46 Prozent, Trump sackte auf 35 Prozent ab. Außerdem sagten 49 Prozent, sie wünschten sich die Kontrolle der Demokraten über den Kongress, nur 42 Prozent plädierten für die Republikaner. Die Umfrage des Fernsehsenders NBC News und der Zeitung "Wall Street Journal" fand allerdings noch vor dem TV-Duell statt. Allerdings fielen auch die ersten Blitzumfragen nach der Debatte schlecht für Trump aus. Sie sahen Clinton mit mehr oder weniger deutlichem Vorsprung als Siegerin des Duells.

"Locker Room Talk"

In der wohl aggressivsten Debatte in der Geschichte der TV-Duelle zwischen US-Präsidentschaftskandidaten hatte Trump nur eine halbherzig wirkende Entschuldigung für seine Vulgaritäten abgeliefert. Er "schäme" sich dafür, doch handle es sich um bloßes "Umkleidekabinen-Gerede". Erst auf Nachfrage des Moderators bestritt er, die geschilderten Übergriffe tatsächlich begangen zu haben. Dann feuerte er eine Salve wütender Gegenangriffe ab. Er attackierte Ex-Präsident Bill Clinton, der Frauen "missbraucht" habe, und warf seiner Rivalin vor, "enormen Hass in ihrem Herzen" zu tragen.

Schon kurz vor dem Duell hatte Trump seine Gegenoffensive gestartet, indem er unangekündigt mit vier Frauen bei einer Pressekonferenz aufgetreten war. Drei von ihnen werfen Bill Clinton vor, sie vor Jahrzehnten missbraucht oder vergewaltigt zu haben.

Trump droht Clinton mit Gefängnis

Trumps Attacken erreichten ihren Eskalationspunkt, als er Clinton drohte, er wolle als Präsident einen Sonderermittler auf sie ansetzen, der Licht in ihre E-Mail-Affäre bringen solle. Clinton hatte als Außenministerin regelwidrig private Server für ihre dienstliche Kommunikation benutzt.

Als die Demokratin konterte, zum Glück sei nicht jemand wie Trump für die Gesetze zuständig, warf dieser ein: "Weil Sie dann im Gefängnis wären." Für diese Bemerkung erntete er viel empörte Kritik, auch aus Reihen der Republikaner. (APA, 10.10.2016)