Jürgen Matzku (50), einst Spitzengewichtheber, heute Sportlehrer und Unternehmer.

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Jürgen Matzku ist nach seinem Dopingfall wieder aufgestanden. In seiner Altersklasse stemmte er bis in die jüngere Vergangenheit.

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Wien – "Wenn ich jeden Tag mit 70 km/h auf der Prager Straße unterwegs bin, dann fahre ich früher oder später ins Radar", sagt Jürgen Matzku. Der 50-Jährige sitzt hinter dem Schreibtisch der Stammfiliale seines Unternehmens für Sporternährung in ebendieser Prager Straße im 21. Wiener Gemeindebezirk und erinnert sich daran, wie er ins Radar fuhr, damals im Frühsommer 1992. Es war im Vorfeld Olympischer Spiele. Der Gewichtheber Jürgen Matzku wäre eine echte Hoffnung auf einen Spitzenplatz in Barcelona gewesen, sogar ein Medaillenanwärter, hätte man ihn nach den Staatsmeisterschaften nicht des Dopings mit "einer Form von Testosteron" überführt.

Grunsteinlegen für Karriere zwei

Der Dopingfall Matzku wiederum wäre längst völlig in Vergessenheit geraten, hätte der ertappte Athlet nicht wenige Monate später unter Anleitung des Sportwissenschaftlers Hans Holdhaus bewiesen, dass Spitzenleistungen auch ohne Doping möglich sind – unter auch ernährungstechnisch optimaler Betreuung. Matzku übertraf in einer Sendung des ORF die seinerzeit bei den Meisterschaften gezeigte Leistung sogar, brachte im Stoßen 200,5 Kilogramm zur Hochstrecke. Und er legte damit auch den Grundstein zu einer zweiten Karriere.

Die erste Karriere des gebürtigen Wieners begann früh, weil der Vater, Günther Matzku, ein namhafter Gewichtheber gewesen war. Der ehemalige Junioreneuropameister hielt seinen Sohn, der zunächst im Waldviertel, in Kirchberg am Walde und in Heidenreichstein aufwuchs, zum Sport an. Der Bub versuchte es mit Tischtennis, Taekwondo und Boxen, "weil was der Vater macht, ja nicht so interessant ist".

Als ihm ein Boxtrainer eröffnete, dass seine eher spitze Nase "im Laufe der Zeit eher flach werden würde", entschied sich Jürgen Matzku dann doch für das Gewichtheben. "Da gibt es keine Schädigung durch Fremdeinwirkung, da bist du nur selber schuld, wenn etwas schiefgeht."

Kollegen Herzog und Ogris

Vater Günther, als Cafetier im 14. Wiener Gemeindebezirk tätig, schuf im Keller des Kaffeehauses in der Johnstraße gute Voraussetzungen. Dort trainierte Jürgen Matzku mit anderen Burschen – erst neben der Schule, dann auch neben einer Kellnerlehre im Hotel Intercontinental nahe der Innenstadt. Er zählte bald zur österreichischen Spitze. Lohn war die Aufnahme in die Heeressport- und Nahkampfschule (HSNS). Während des Grundwehrdienstes hatte Matzku Kollegen wie Andreas Herzog ("ein wirklich feiner, fleißiger Bursche"), einen der Brüder Ernst und Andreas Ogris ("nicht ganz so fleißig") oder die Ruderer Arnold Jonke und Christoph Zerbst, die 1992 in Barcelona die Silbermedaille im Doppelzweier gewinnen sollten.

Der Gewichtheber Matzku wähnte sich ebenfalls zum Medaillengewinn befähigt, nachdem er bei den Olympia vorausgehenden Europameisterschaften in Szekszárd, Ungarn, in der Klasse bis 90 Kilogramm im Stoßen "mit Pech" Rang vier und im Zweikampf Rang fünf belegt hatte. Bei den Staatsmeisterschaften hatte er eigentlich die Titel in der Klasse bis 100 kg im Visier, kochte aber einem Freund zuliebe, der in derselben Gewichtsklasse antreten wollte, ab. "Ich wollte zwei Kilo abnehmen und habe nichts getrunken. Im Wettkampf war ich großartig, die 185 und 200 kg waren kein Problem, die 210 wollte ich mir für Olympia aufheben. Ich habe sie nie geschafft."

Im Olympia-Trainingslager Schielleiten ereilte Matzku die Kunde vom positiven Dopingtest. Durch das schnelle Abnehmen hatte der Stoffwechsel nicht mehr gepasst, zuvor gerade nicht mehr nachweisbare Dopingspuren waren gerade noch nachweisbar geworden. "Da ist plötzlich alles zusammengebrochen. Die Zeit im Bild hat nicht mit dem Jugoslawien-Krieg begonnen, sondern mit dem Jürgen Matzku." Nur die Familie hielt zu ihm, "und das Heer, das hat mich gerettet".

Experiment

Rettung brachte dann auch Holdhaus' Idee vom Dopingsünder, der völlig sauber an alte Leistungen anschließen kann. Der für zwei Jahre gesperrte Sportler selbst, der von heute auf morgen das Training eingestellt hatte und bald Herzbeschwerden bekam, ließ sich nach einiger Zeit überreden, mit Holdhaus und dessen Institut für medizinische und sportwissenschaftliche Beratung (ISMB) das Experiment zu wagen. Der entscheidende Versuch fiel nicht so leicht wie jener bei den verhängnisvollen Meisterschaften. "Es war wegen der Scheinwerfer sehr heiß, es hat alles unheimlich lange gedauert, danach musste ich schnell aufs Klo."

Ein schnelles Comeback gelang Jürgen Matzku nicht, weil seine Sperre nicht wie von vielen Seiten gefordert, verkürzt wurde. Just der Gewichtheberverband stimmte erst dafür und dann dagegen – eine persönliche Intrige. Inzwischen sind die Kontakte zum Verband wieder gut. Matzku nützte die Zeit jedenfalls zur Ausbildung zum Diplomsportlehrer und seine über Holdhaus geknüpften Kontakte zum Aufbau eines Handels mit Nahrungsergänzungsmitteln.

"Jetzt sind wir dabei die Sache zu redimensionieren", sagt Jürgen Matzku in seiner Filiale in der Prager Straße. Das Geschäft wandert mehr und mehr ins Internet ab und damit auch immer mehr in dubiose Kanäle. Natürlich war und ist Matzku, der nebenbei erfolgreich in seinen Altersklassen stemmte, mit Anfragen konfrontiert, wie dem sportlichen oder auch nur dem ästhetischen Erfolg nachzuhelfen wäre. Der zweifache Vater, der einst vom eigenen Vater in die Welt der verbotenen Stärkung eingeführt worden war, würde sich hüten.

Schattendasein

Jürgen Matzku wäre es vielmehr ein Anliegen seinen Sport, das Gewichtheben, zu propagieren. Bei Sportlern anderer Sparten, vor allem aber bei Kindern. Er weiß aber, dass es in Österreich an den Grundvoraussetzungen fehlt. In Wien hätte es zur Jahrhundertwende 100 Vereine gegeben, "jetzt sind es sieben oder acht". Eltern sei nur schwer zu vermitteln, dass das ein guter Sport ist, in dem auch Spitzenleistungen möglich sind, ohne mit einem Fuß im Kriminal zu stehen. Jürgen Matzku hat bewiesen, dass es ganz ohne Raserei geht. (Sigi Lützow, 11.10.2016)