Am Samstag wurden die Sicherheitsvorkehrungen am Bahnhof in Chemnitz verschärft.

Foto: AFP/ Jens-Ulrich Koch

Potsdam/Chemnitz – Nach dem Terroralarm in Chemnitz hat die deutsche Bundespolizei am Wochenende im ganzen Land die Sicherheitsvorkehrungen erhöht. "Dies betrifft insbesondere kritische Infrastruktur", sagte der Sprecher des Bundespolizeipräsidiums, Ivo Priebe, am Sonntag in Potsdam. Vor allem Flughäfen und Bahnhöfe seien demnach betroffen.

Zudem beteiligten sich die Einsatzkräfte an der Fahndung nach dem bisher flüchtigen Terrorverdächtigen. Welche Maßnahmen genau ergriffen wurden, sagte der Sprecher nicht. Am Berliner Flughafen Schönefeld soll der verstärkte Polizei-Einsatz bis mindestens Montag in der Früh andauern. Autos und Busse würden angehalten und kontrolliert, ob sich der gesuchte 22-jährige syrische Verdächtige aus Chemnitz darin befindet. Der Mann steht im Verdacht, einen Bombenanschlag geplant und vorbereitet zu haben. Mittlerweile hat die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen übernommen. Es bestehe der "dringende Tatverdacht der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat", sagte ein Sprecher der Behörde am Sonntag.

Am Sonntag Abend veröffentlichte die Polizei einen neuen Fahndungsaufruf mit genaueren Details zu dem Gesuchten. Beschrieben wird Jaber al-Bakr von der Polizei wie folgt: 170 bis 175 Zentimeter groß und schlank. Sein Gang sei ohne Körperspannung, er "schlurfe" und halte oft den Kopf schräg. Besonderes Merkmal sei ein Muttermal auf der linken Wange in Höhe des Mundwinkels. Laut ersten Polizeiangaben soll er mit einem schwarzen Kapuzenpulli bekleidet sein – vorne mit einem weiß-orangefarbenen Muster mit der Aufschrift "Project". Zudem soll er hellbraune Kunstlederschuhe mit Schuhbändern tragen und einen schwarz-weißen Rucksack der Marke "Nike" dabeihaben.

Am Sonntag gab es in Chemnitz zuvor einen weiteren Polizeieinsatz. Es habe einen Zugriff durch ein Sondereinsatzkommando gegeben, teilte die Polizei am Sonntag im Kurzbotschaftendienst Twitter mit. Demnach lagen Hinweise auf bestehende Kontakten zu dem Tatverdächtigen vor.

IS-Verbindung

Die Polizei geht von einer engen Verbindung des gesuchten Terrorverdächtigen zur Terrormiliz Islamischer Staat aus. Es gebe Hinweise, dass der 22-Jährige von IS-Terroristen ausgebildet wurde, berichtete die "Bild"-Zeitung unter Verweis auf Ermittler.

Darauf weise die Art des gefundenen Sprengstoffs hin, bei dem es sich um TATP (Azetonperoxid) handle. Bereits zuvor war bekannt gewesen, dass der Mann Kontakte zum Terrornetzwerk hat.

Die Behörden äußern sich derzeit offiziell weder zur Zusammensetzung des Sprengstoffs noch zu Hintergründen, möglichen Anschlagszielen oder der Motivation des Verdächtigen. Dies geschehe aus taktischen Gründen, erläuterte eine Sprecherin des Landeskriminalamtes (LKA) Sachsen. Laut "Bild"-Zeitung befand sich ein Kilogramm Sprengstoff in der Wohnung, das LKA spricht offiziell von mehreren hundert Gramm.

"Schon 200 Gramm TATP haben eine verheerende Wirkung. Wer weiß, wie man sie richtig einsetzt, kann damit eine Halle sprengen", zitiert die "Bild-Zeitung" einen Sprengstoffexperten. Die meisten zur Herstellung nötigen Stoffe seien frei erhältlich, die Herstellung gelte aber als sehr komplex.

Knapp entkommen

"Spiegel Online" berichtete, dass der gesuchte Terrorverdächtige der Polizei nur knapp entkommen sei. Der 22-Jährige sei kurz vor Eintreffen der Ermittler geflohen. Die Polizei habe am Samstag in der Früh kurze Zeit nach Beginn der Beobachtung der Wohnung des Syrers dessen Flucht bemerkt und einen Warnschuss abgegeben, heißt es laut "Spiegel Online" in einem vertraulichen Lagebericht des Landeskriminalamtes Sachsen. Unklar sei, ob der Verdächtige zufällig das Haus verließ oder ob er die beginnende Aktion bemerkt hatte.

Die Polizei in Chemnitz ermittelte indes gegen einen zweiten Syrer wegen des Verdachts der Vorbereitung eines Bombenanschlags. Bei dem Mann handle es sich um den Mieter der Wohnung, in der der hochbrisante Sprengstoff entdeckt worden war. Der Verdächtige sei einer der drei Bekannten des mutmaßlichen Haupttäters, die die Polizei am Samstag festgenommen hatte. Der Mieter befinde sich weiter in Polizei-Gewahrsam, die Haftprüfung laufe derzeit. Die beiden anderen Festgenommenen seien dagegen wieder auf freiem Fuß.

Bernhardt sagte weiter, dass der flüchtige Hauptverdächtige seit 2015 in Deutschland lebe. Er sei seit mehreren Monaten als Flüchtling anerkannt. Er sei in der Vergangenheit nicht polizeilich auffällig geworden. (APA, 9.10.2016)