Zehn Millionen Euro Lösegeld forderte der Dieb für Cellinis aus dem KHM gestohlene Saliera.

Foto: APA / Hans Klaus Techt

Vergangene Woche fanden italienische Ermittler in der Villa eines Mafiabosses zwei Gemälde von van Gogh, die 2002 aus einem Museum in Amsterdam gestohlen worden waren. Ein Glücksfall, denn viele spektakuläre Coups der vergangenen Jahrzehnte wurden nie aufgeklärt. Manche Kunstwerke bleiben verschollen, andere dienen Erpressern zur Durchsetzung von Lösegeldforderungen. Statistisch gesehen sind Museen allerdings weit seltener betroffen als Privatbesitzer, bei denen Kunst oft nur zufällig zur Beute wird.

STANDARD: Kunst scheint unter Dieben weltweit immer begehrter zu werden. Wie reagieren Kunstversicherer darauf?

Nikolaus Barta: Der Raub von Kunstwerken rangiert in Kriminalstatistiken schon seit Jahrzehnten auf Platz drei, direkt nach Drogenhandel und Geldwäsche. Die Branche hat insofern reagiert, als man sukzessive die Risikoanalysen verschärfte. Versicherungsnehmern werden mittlerweile Sicherheitsmaßnahmen, etwa Alarmanlagen etc., vorgeschrieben. Dazu haben Versicherer ihre IT-Security-Standards erhöht.

STANDARD: Um sich vor Hackern zu schützen?

Barta: Nicht nur, denn es geht auch um den internen Zugang zu relevanten Daten. Wenn 5000 Mitarbeiter jederzeit die Information abrufen können, dass Herr Meier daheim einen wertvollen Picasso hängen hat, dann ist das ein Risiko. Teilweise geht man dazu über, möglichst wenige oder anonymisierte Informationen zu verarbeiten.

STANDARD: Finden Kunstdiebstähle häufiger in Museen, im Kunsthandel oder im Privatbereich statt?

Barta: Am häufigsten sicher im Privatbereich, weil Kunstwerke etwa bei normalen Einbruchsdiebstählen eher zufällig zur Beute werden. Im Kunsthandel auch, wobei man dort sensibilisierter für etwaige Risiken ist, da es ja um verkäufliche Ware geht. Seltener sind Museen betroffen, aber wenn, dann ist der Schaden dort umso größer.

STANDARD: Seltener, weil die Sicherheitsvorkehrungen dort höher sind?

Barta: Teils, aber hier kommt der Faktor Mensch ins Spiel. Das Aufsichtspersonal ist ja nicht bewaffnet und kann nur bedingt reagieren. Wichtig ist, deren Aufmerksamkeit zu erhöhen, Gewöhnliches von Ungewöhnlichem zu unterscheiden. Die aus Vorfällen generierten Erfahrungswerte geben wir deshalb an unsere Klienten weiter.

STANDARD: Was hat es eigentlich mit Auftragsdiebstählen auf sich?

Barta: Die gibt es, keine Frage. Der Kunstliebhaber, der bestimmte Bilder auf Bestellung klauen lässt, dürfte allerdings ein Mythos sein. Zumindest wurde noch nie einer enttarnt.

STANDARD: Aber welchen Sinn haben Auftragsdiebstähle im Falle bekannter Kunstwerke, die auf dem Markt sowieso unverkäuflich sind?

Barta: Das ist eine geläufige Fehlannahme. In Europa, in den USA ist es sicher schwierig, bekannte Werke in den Markt zu schleusen. Nur anderswo, etwa in China oder Russland, interessiert es keinen, dass der Picasso, Munch oder van Gogh davor aus einer renommierten Sammlung gestohlen wurde. Denn Kunst ist auch eine Währung, fungiert etwa im Drogenhandel oder in Mafiakreisen als Zahlungsmittel.

STANDARD: Das erklärt wohl auch den aktuellen Fund italienischer Ermittler zweier 2002 aus dem Van Gogh Museum gestohlener Bilder in der Villa eines Mafiabosses. Wie funktioniert die Rückabwicklung in einem solchen Fall?

Barta: Das kommt auf den Wunsch des Kunden an. Entweder er refundiert die Schadenssumme und bekommt die Kunstwerke zurück. Oder er verzichtet, und der Versicherer verwertet die Gemälde.

STANDARD: Der am Wert bemessene größte Kunstraub?

Barta: International jener von 1990 in Boston. Die als Polizisten verkleideten Ganoven marschierten damals in das Stewart Garner Museum und stahlen 13 hochkarätige Bilder, die laut Museum an die 500 Millionen Dollar wert seien. In Österreich war es der Diebstahl der 36 Millionen Euro schweren Saliera 2003 ...

STANDARD: ... das berühmte Salzfässchen von Benvenuto Cellini aus der Sammlung des KHM – das ja Gegenstand einer jahrelangen Erpressung war ...

Barta: Indizien gab es schon früh. 2007 wurden die Details im Prozess gegen den Täter dann öffentlich. Er war ja auch wegen schwerer Erpressung angeklagt, weil er zehn Millionen Euro Lösegeld gefordert hatte unter der Androhung, er würde andernfalls das Kunstkammerstück einschmelzen.

STANDARD: Ein klassischer Fall von Artnapping?

Barta: Nun, offiziell gibt es die erpresserische Entführung von Kunstwerken gar nicht, weil ja auch niemand Lösegeld bezahlt oder mit Terroristen verhandelt. Tatsächlich hat damit einst die IRA begonnen, als sie mit gestohlener Kunst die Verlegungen von Genossen in andere Gefängnisse erzwang.

STANDARD: In welcher Größenordnung bewegt sich die Aufklärungsquote bei Diebstählen?

Barta: Versicherungen geht es weniger um Aufklärung als um das Wiederfinden. Die Quote liegt hier international mittlerweile bei guten zehn bis 15 Prozent. Vor allem dank der Zusammenarbeit mit "Art Loss Register", der weltweit größten Datenbank für gestohlene Kunstwerke.

STANDARD: Eine Hilfestellung sowohl für den Kunsthandel als auch für private Kunstkäufer?

Barta: Ja, dort kann einerseits jeder einen Diebstahl melden und sich andererseits vor einem Kauf informieren, ob etwa ein Bild als gestohlen gemeldet wurde.

STANDARD: Wie lautet Ihre Empfehlung an private Kunstbesitzer?

Barta: Abgesehen von einer richtigen Versicherung ist auch das Thema Sicherheit mehr zu berücksichtigen. Alarmanlagen sind in Österreich allerdings nicht allzu beliebt ...

STANDARD: Die können ja auch manipuliert werden.

Barta: Teilweise. Manchmal geht es auch nur um das Bewusstsein. Etwa bei der Anmeldung im Hotel am Urlaubsort nicht seine Heim-, sondern die Büroadresse anzu-führen.

STANDARD: Gab es da schon vergleichbareVorfälle?

Barta: Ja, ist keine drei Jahre her. Der Nachtportier eines Nobelhotels, ein Student, hatte Adressen verkauft. Während die Gäste ihren Urlaub in Südfrankreich genossen, wurden ihre Appartements und Villen daheim ausgeräumt. (Olga Kronsteiner, 9.10.2016)