Nach der Volksabstimmung über die EU-Flüchtlingsquoten kündigte Ungarns Premier Viktor Orbán zunächst die Fortsetzung seines Kampfes gegen die "Brüsseler Bürokratie" an. Doch die bisher bekannt gewordenen Verfassungsänderungen, mit denen er das "großartige Ergebnis" des Votums festschreiben will, deuten eher an: Der Premier rudert zurück.

Die genaue Formulierung der geplanten Verfassungsänderung ist offenbar noch Gegenstand von Abstimmungen mit der rechtsextremen Jobbik-Partei, deren Stimmen Orbán braucht, weil er keine eigene Zweidrittelmehrheit im Parlament hat. Eine von ihm als zentral bezeichnete Passage erwähnte er aber bei einer Pressekonferenz am Dienstag: Demnach werden "kollektive Ansiedlungen" von Nicht-EU-Ausländern in Ungarn "verboten" sein. Diese könnten nur aufgrund "individueller Gesuche", angesiedelt werden.

Der Clou: Die bisherigen Quoten-Beschlüsse der EU und die vorliegenden Vorschläge der EU-Kommission haben keine "Ansiedlung" von Flüchtlingen zum Gegenstand. Sie sehen vielmehr eine gleichmäßigere Verteilung von Asylbewerbern vor. Die angestrebte Zuteilung bedeutet gerade deshalb keine "Ansiedlung", weil dann diese Länder überhaupt erst die Asylverfahren durchführen. Sie entscheiden also selbst gemäß ihrer eigenen Gesetze, wessen Asylgesuch sie annehmen und wen sie damit mit einem Aufenthaltsrecht ausstatten – so, wie es jetzt Orbán in die ungarische Verfassung hineinschreiben will.

Sinn und Unsinn des Votums

Den Begriff "verpflichtende Ansiedlung" gab es bereits in der Referendumsfrage. Kritiker hatten deshalb darauf hingewiesen, dass die Frage, deren Beantwortung der Regierung 40 Millionen Euro Kampagnenkosten wert war, nicht sinnvoll zu beantworten sei. Das Referendum war schließlich ungültig, weil nur 40 statt der vorgeschriebenen 50 Prozent der Wahlberechtigten eine gültige Stimme abgaben. Von diesen sagten freilich 98 Prozent Nein zur virtuellen "Ansiedlung". (Gregor Mayer aus Budapest, 6.10.2016)