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Gemeinnützige Arbeit für Asylwerber: Die Koalition matcht sich am Nebenschauplatz.

Foto: Reuters / Dalder

Wien – Wolfgang Sobotka gibt sich unbeirrt. "Wenn ich was sage, dann bleibe ich dabei", versichert der Innenminister und legt sich damit in einer Frage quer, in der sich die neun Bundesländer einig sind. Diese wollen Asylwerbern für gemeinnützige Arbeit, wie es schon bisher Rechtslage war, fünf Euro pro Stunde bezahlen – Sobotka hingegen pocht auf die Hälfte.

Der ÖVP-Politiker argumentiert mit der Warnung vor einem Asylwerberansturm (der STANDARD berichtete): Bezahlten Gemeinden für Arbeiten wie Gehsteigsäubern oder Unkrautjäten mehr als 2,50 Euro, wäre das eine Einladung an Wirtschaftsflüchtlinge.

Hilfstätigkeiten kein Anreiz

Thomas Liebig kann mit dieser Begründung wenig anfangen. Der Migrationsexperte der OECD verweist darauf, dass das Gros der Menschen, denen Österreich Asyl gewährt, aus kriegs- und krisengeschüttelten Staaten wie Syrien, Irak und Afghanistan stammt: "Diese Menschen suchen Schutz, weil ihnen Gefahr für Leib und Leben droht, wegen fünf Euro in der Stunde kommt da niemand."

Um jeden Anreiz auszuschließen, könne der Staat gemeinnützige Tätigkeiten gegebenenfalls auf jene Nationalitäten beschränken, die nach den Erfahrungswerten eine hohe Chance auf Asyl haben, empfiehlt Liebig. Allerdings zähle Österreich ohnehin zu jenen Industriestaaten, die den regulären Arbeitsmarkt am wenigsten für Asylwerber geöffnet hätten. Ob jemand für eine Gemeinde ein paar Hilfstätigkeiten ausführen darf, sei da nicht entscheidend.

Zudem sei eine Halbierung der Entschädigung "ein zwiespältiges Signal für die Integration", sagt Liebig: "Halber Lohn für gleiche Arbeit kann den Eindruck verstärken, Asylwerber seien anders."

Möglichst früh auf den Arbeitsmarkt

Grundsätzlich könne es aber sinnvoll sein, die Möglichkeit der gemeinnützigen Arbeit – künftig sollen mehr Wochenstunden erlaubt sein – auszubauen: "Je früher Asylwerber mit dem Arbeitsmarkt in Kontakt kommen, desto besser gelingt die Integration." Allerdings sei dies eher "ein Nebenschauplatz", sagt Liebig und rät, auch den regulären Arbeitsmarkt für jene Asylwerber, die absehbare Chancen auf einen Verbleib haben, zu öffnen. Derzeit ist der Zugang auf Erntehilfe und andere Saisonarbeiten begrenzt.

Aber spricht die Rekordarbeitslosigkeit nicht gegen die Öffnung? Liebig hält die Angst, dass einheimische Arbeitskräfte verdrängt werden könnten, für übertrieben, eher entstehe eine Konkurrenz für Migranten aus Ost- und Mitteleuropa. Weil den Asylwerbern häufig Qualifikationen fehlten, würde die Mehrzahl ohnehin erst mit einiger Verspätung am Arbeitsmarkt Fuß fassen – und auf lange Sicht werde Österreich wegen des demografischen Knicks Bedarf an Arbeitskräften haben.

Die Sozialpartner plädieren ebenfalls für eine (begrenzte) Öffnung des Arbeitsmarktes, doch bisher scheiterten alle Initiativen an Einsprüchen aus Bundesregierung und Ländern. Und auch bei der gemeinnützigen Arbeit hakt es nicht nur an der Bezahlung.

Querelen in der Regierung

Für Hickhack in der Regierung sorgt eine Liste, auf der jene Tätigkeiten aufgezählt werden sollen, die Asylwerbern erlaubt sind – schließlich sollen keine regulären Jobs ersetzt werden. Innenminister Sobotka hat Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) einen entsprechenden Katalog zur Durchsicht geschickt, doch der sieht wenig Sinn dahinter: Die Bürgermeister wüssten doch am besten, wofür sie Asylwerber einsetzen könnten, sagte er vor ein paar Tagen. Der verärgerte Sobotka beschwerte sich prompt, dass das Sozialministerium blockiere, was nun Stöger wieder kontert: Das Innenministerium habe selbst eine Antwortfrist bis 17. Oktober gesetzt.

Einhellig beantworten die Minister nur die Frage, wer sich die Tätigkeitsliste gewünscht habe: die Gemeinden.

Im Gemeindebund will man das so nicht bestätigen, dort gibt es sogar Bedenken gegen eine detaillierte Liste, die jede einzelne Tätigkeit aufzuzählen versucht: Wenn zum Beispiel Gehsteigkehren definitiv erlaubt wird – ist deshalb Radwegsäubern, nur weil es nicht erwähnt wird, verboten?

Ob Liste oder Bezahlung: "Die Regierung diskutiert an den eigentlichen Problemen vorbei", kritisiert Gemeindebund-Chef Helmut Mödlhammer. Immer noch kämpften Bürgermeister, die Asylwerber einsetzen wollen, mit bürokratischen Hürden – von Versicherungsfragen bis zum Umgang mit dem Arbeitsmarktservice: "Die Minister sollten sich lieber darum kümmern." (Gerald John, 5.10.2016)