Durch ein paar Klicks auf Online-Plattformen – zum Beispiel bei Klickworker – Geld verdienen? Geht schnell und unkompliziert. Allerdings muss bei Aufgaben wie Produktbeschreibungen relativ viel Zeit aufgewendet werden, um auf einen akzeptablen Stundenlohn zu kommen.

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Was ist Crowdwork? Die deutsche Gewerkschaft "ver.di" hat das in einem Video kurz erklärt, spricht allerdings von Cloudwork – ein anderer Name für dasselbe Phänomen.

ver.di

Und wer sind nun die Cloud- oder Crowdworker? Für Österreich hat sich die Wiener Arbeiterkammer diese Frage gestellt. In Deutschland fand Jan Marco Leimeister bei Befragungen von Crowdworkern heraus, dass es hinsichtlich Verdienst und aufgewendeter Zeit große Unterschiede gibt. Die Mittelwerte liegen zwischen 144 Euro pro Monat und 662 Euro für kompliziertere Aufträge.

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Leimeister teilt die Plattformarbeit in fünf Cluster: Microtask-Plattformen bieten meist Aufgaben von hoher Granularität und geringer Komplexität. Bei den Marktplatz-Plattformen ist es umgekehrt: Aufgaben sind hier durchaus komplex. Die Interaktion zwischen Nachfrager und Anbieter ist stärker ausgeprägt. Design-Plattformen beinhalten vor allem Gestaltungsaufgaben – etwa wenn nach einem neuen Logo gesucht wird. Beim Testing-Cluster geht es um das Testen von Produkten und Dienstleistungen, ein Großteil im Bereich der Software-Applikationen. Innovationsplattformen sind hingegen offener, auch was die Zusammensetzung der Anbieter und die Komplexität der Aufgaben betrifft.

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Klar, Crowdwork hat ein gutes Image und sicher auch schöne Seiten – etwa dass man von überall aus arbeiten kann. Man dürfe deswegen aber nicht auf die Arbeitsbedingungen vergessen, sagt Arbeitsrechtler Martin Risak. Die größten Probleme: geringe Entgelte und die Abhängigkeit von digitalen Bewertungen.

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Felix ist das, was man einen Crowdworker nennt. Der Student verbringt jede Woche etwa fünf Stunden damit, Produktbeschreibungen für Onlinekaufhäuser zu schreiben. Von seinen Eltern wird Felix kaum unterstützt, jeden Samstag jobbt er in einem Kleidergeschäft. Die Produktbeschreibungen macht er gerne, weil er sie gemütlich zu Hause verfassen kann. Werden die Texte von der Plattform freigegeben, verdient er für 150 Wörter – etwa über eine Handtasche – 2,10 Euro. Felix schafft meistens vier Texte pro Stunde und verdient damit weniger als neun Euro pro Stunde.

Auch Tina ist eine Crowdworkerin: Seit sie ihr Grafikstudium abgebrochen hat, arbeitet sie als Freiberuflerin. Die Arbeit läuft gut, und sie konnte letztes Jahr sogar ein eigenes Büro beziehen. Tina sucht aber auch online nach Aufträgen. Auf den Plattformen wird zum Beispiel nach einem neuen Logo oder nach einem neuen Design für die Website gesucht – in Form von Wettbewerben. Tina macht das Messen mit anderen Spaß, sie macht mit, weil sie die Beste sein will. Für die Entwürfe nimmt sie sich viel Zeit, die Antwort der Auftraggeber kommt aber meist erst nach mehreren Wochen. Zweimal konnte sie solche Wettbewerbe für sich entscheiden, was ihr mehrere Tausend Euro einbrachte. Ist die Teilnahme nicht erfolgreich, bekommt Tina allerdings keine Aufwandsentschädigung, und die Stunden waren umsonst.

Wer ist "die Crowd"?

Tina und Felix stehen exemplarisch für die Crowd: eine schnell wachsende Masse austauschbarer Arbeiter, die vom Klickjob bis zur komplizierten Software-Entwicklung alles erledigen. Die beiden sind frei erfunden, aufgrund einiger aktueller Studien weiß man aber, dass diese beiden Geschichten typisch für die Crowdworker sind. Jene Zeit, in der man nicht viel über den neuen digitalen Arbeitsmarkt wusste, ist vorbei: In Deutschland geht man von mehr als einer Million Crowdworker aus. In Österreich gibt es zwar eine erste Studie, von konkreten Zahlen könne man aber nicht sprechen, heißt es beim Auftraggeber der Studie, der Arbeiterkammer Wien: Im Zuge der Onlinebefragung von etwa 2000 Österreichern im Alter von 18 bis 65 Jahren gaben 36 Prozent an, dass sie im vergangenen Jahr versucht haben, Arbeit über sogenannte Share-Economy-Plattformen zu finden. Allerdings übten nur 18 Prozent (451 Personen) eine solche Tätigkeit dann auch aus.

Direkt in der sogenannten Crowd durchgeführt wurde eine Studie von Jan Marco Leimeister, der Wirtschaftsinformatik an den Universitäten Kassel und St. Gallen lehrt. Für die Studie wurden 100 deutsche Plattformen analysiert. Per Onlinefragebogen konnten Daten und Einstellungen von knapp 500 Crowdworkern gewonnen werden.

Verdienst und Arbeitszeit höchst unterschiedlich

Die Beispiele von Felix und Tina zeigen nicht nur andere Beweggründe für die Arbeit im Netz, sondern auch, wie unterschiedlich die Plattformen sind, auf denen sie arbeiten. Leimeister teilt sie deswegen in fünf Cluster: Microtask-Plattformen bieten meist Aufgaben von hoher Granularität und geringer Komplexität. Bekannte Beispiele sind Amazon Mechanical Turk oder die deutschsprachige Plattform Clickworker. Bei den Marktplatz-Plattformen ist es umgekehrt: Aufgaben sind hier durchaus komplex. Die Interaktion zwischen Nachfrager (Crowdsourcer) und Anbieter (Crowdworker) ist stärker ausgeprägt. Design-Plattformen beinhalten vor allem Gestaltungsaufgaben – etwa wenn nach einem neuen Logo gesucht wird. Hierbei können die Crowdworker die Preise meist selbst festlegen, der Auftraggeber kann dann aus einem Pool an Vorschlägen wählen. Beim Testing-Cluster geht es um das Testen von Produkten und Dienstleistungen, ein Großteil im Bereich der Software-Applikationen. Innovationsplattformen sind hingegen offener, auch was die Zusammensetzung der Anbieter und die Komplexität der Aufgaben betrifft.

Die Leimeister-Studie zeigt: Verdienst und Zeit für die Arbeit auf den Plattformen sind höchst unterschiedlich. Etwa bei der Bezahlung: Die Mittelwerte liegen in den unterschiedlichen Clustern zwischen 144 Euro pro Monat (Microtask) und 662 Euro (Marktplatz). Auch im Design kann deutlich mehr verdient werden als in den anderen Clustern. Selbst bei diesen beiden besser bezahlten Plattformen kommen nur zwölf bzw. 15 Prozent auf ein Einkommen von mindestens 1500 Euro monatlich. Auf Ebene der gesamten Crowd verdienen 71 Prozent der Befragten 500 Euro netto oder weniger im Monat, 30 Prozent davon weniger als 100 Euro pro Monat. Die befragten Crowdworker weisen dabei überwiegend einen akademischen Hintergrund auf, 40 Prozent geben an freiberuflich tätig zu sein, knapp sechs Prozent sind auf Arbeitssuche.

"Beunruhigendes Machtgefälle"

Während die maximale wöchentliche Arbeitszeit mit 25 Stunden im Microtask-Bereich angegeben wurde, arbeiten einzelne Crowdworker auf marktplatzähnlichen Plattformen bis zu 80 Stunden pro Woche – der Durchschnitt über alle Cluster hinweg liegt bei 14 Stunden. Ober- oder Untergrenze wie bei einem Arbeitsvertrag gibt es in der Crowd natürlich keine. "Das Machtgefälle zwischen Auftraggebern und Crowdworkern ist beunruhigend", sagt Leimeister. Crowdworker stimmen den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Plattformen zu – sie geben ihr Einverständnis, dass Auftraggeber ihre Ideen und Produkte verwenden dürfen, sie selbst aber nicht. Auch dass manche Leistungen abgelehnt oder nicht bezahlt werken können, steht in den Bedingungen, wie das Beispiel von Tina illustriert.

Nicht nur deswegen schlugen Gewerkschaften und Interessenvertretungen Alarm. Sie verorten ein neues Prekariat und versteckte Arbeitsverhältnisse. Ganz anders sieht es natürlich für Arbeitgeber aus: Hier bietet Crowdsourcing viele Möglichkeiten, an ungenütztes Potenzial zu kommen. Bei Ideenwettbewerben werden Innovationsprozesse einfach nach außen verlagert. Statt der 250 Köpfe im Unternehmen können dann – rein theoretisch – hunderttausende Interessierte mitmachen und beim Unternehmen mitarbeiten.

Natürlich gibt es auch bei diesem Thema nicht nur schwarz oder weiß, gut oder böse. Leimeister sieht – zumindest aktuell – kein neues Prekariat im Entstehen: "Heute kann von Ausbeutung nicht fundiert die Rede sein." Einen Grund dafür sieht er im Wettbewerb zwischen den vielen Plattformen, die Marktmacht sei dadurch noch reguliert. Das Interesse der Gewerkschaften und Interessenvertretungen sei dennoch richtig. "Man muss fragen was passiert, wenn die wirtschaftliche Entwicklung nicht mehr so gut läuft", sagt Leimeister. Zu beobachten sei dies im Zuge der Finanzkrise 2008 in den USA gewesen. Damals sei der Anteil an Crowdworkern exorbitant gestiegen, und die Plattformen haben Preisdumping betrieben.

Arbeiterkammer tastet sich an Klientel heran

Dieses Beispiel nennt auch Sylvia Kuba, Expertin für Crowdwork bei der Arbeiterkammer. Warum die Menschen online nach Möglichkeiten suchen, Geld zu verdienen, wurde in Österreich noch nicht eruiert. Es sei zunächst um eine quantitative Erhebung gegangen, sagt Kuba, darum zu wissen, wer diese Menschen denn sind. "Aber dass es wahrscheinlich so angefangen hat, dass sie nach 'Online Geld verdienen' gegoogelt haben, ist sehr wahrscheinlich."

An Crowdwork als altruistische Tätigkeit glaubt Kuba jedenfalls nicht, das hätten auch Gespräche mit Crowdworkern selbst gezeigt. Für die Arbeiterkammer seien solche Gespräche wichtig, um sich an die Probleme der neuen Klientel heranzutasten. Eine weitere Studie soll folgen, außerdem steht man in starkem Austausch mit Organisationen, die sich auch mit Crowdwork befassen. Letztlich gehe es oft um arbeitsrechtliche Fragen, sagt Kuba. Weil viele Plattformen ihren Sitz im Ausland haben, ist eine angemessene Vertretung von Personen, die gegen diese vorgehen wollen, kompliziert. "Nationale Regelungen sind zwar sinnvoll, umfassende Verbesserungen bedürfen allerdings eines europäischen Rechtsrahmens", sagt Kaske und sieht die Regierung am Zug.

Abhängigkeit von Bewertungen

Einer, der sich schon lange mit diesen Fragen beschäftigt, ist Martin Risak. Der Arbeitsrechtswissenschafter lehrt an der Universität Wien und beschäftigt sich mit dem rechtlichen Rahmen für die (digitale) Arbeitswelt der Zukunft. Das Ungleichgewicht liegt für ihn auf der Hand: "Beim Crowdsourcing kann ein Unternehmen aus dem Vollen schöpfen: Das Risiko wird auf die Crowdworker verlagert, man hat im Prinzip eine große Masse an Menschen und weiß, mit wem man es zu tun hat." Für Risak ein wesentlicher Punkt. Die Plattformen wissen, wann Crowdworker wie viel gearbeitet haben oder wie lange sie durchschnittlich für Aufgaben brauchen. "Die Bewertungen ersetzen eine Kontrolle, die sonst nur in normalen Arbeitsverhältnissen vorherrscht." Für Risak handelt es sich deswegen um ein ganz klares Arbeitsverhältnis. Die größten Probleme: geringe Entgelte und die Abhängigkeit von digitalen Bewertungen.

Die Plattformen sehen das natürlich anders und nehmen in ihre AGB teilweise Klauseln auf, die das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses explizit ausschließen. Werden Crowdworker als Selbstständige eingeordnet, genießen sie auch keinen arbeitsrechtlichen Schutz. Hier liegen unter anderem die Probleme für eine Vertretung vonseiten der Arbeiterkammer. Die Debatte ist freilich Teil einer insgesamt breiten Diskussion, wie sich Arbeit ganz allgemein verändert: Der Trend zu Zweit-, Dritt- oder Viertjobs ist schon länger da, vieles verschiebt sich weg vom klassischen Betrieb in den nichtregulierten Bereich, und die Selbstständigkeit nimmt massiv zu.

Cooles Image

Wie diesen Änderungen begegnen? Risak sieht im Bezug auf Crowdworker drei Strategien: Einerseits könnte man klassisch-juristisch vorgehen und die konkreten Geschäftsmodelle arbeitsrechtlich abklopfen. Einen Schritt könnte man gehen, indem man ein Crowdwork-Gesetz formulierte, das Probleme wie die Beendigung der Arbeit auf den Plattformen, die Auszahlung oder die schon kritisierten Bewertungen regulieren würde. Der für ihn wichtigste Punkt ist aber eine Möglichkeit, Selbstständige, die ohne unternehmerische Struktur arbeiten, zu schützen; nicht nur Crowdworker, sondern etwa auch Pflegerinnen, die wochenweise in Österreich arbeiten. Dieser Punkt gestaltet sich allerdings schwierig: Es ist Selbstständigen verboten, Kollektivverträge – insbesondere über Mindestlohn – abzuschließen, da dies vom Europäischen Gerichtshof als Preiskartell angesehen wird, sagt Risak.

Die Selbstständigkeit hat aber auch noch eine andere Funktion: "Natürlich ist es cooler zu sagen, ich bin Online-Freelancer, als ich schlichte beim Billa Regale ein", sagt Risak. "Die Betreiber bauen auf dieses Image." Früher wäre es schwierig gewesen, Leute um eine halbe Stunde ihrer Zeit für eine Aufgabe zu bitten und sie danach gleich wieder zu entlassen. Online sei diese Armee hingegen groß. "Man hört dann oft, die Leute suchen sich das ja aus und sind eh zufrieden, aber natürlich muss nach der Hegemonie dahinter gefragt werden." (Lara Hagen, 17.11.2016)