Geht man die Wiener Siebensterngasse entlang, kommt man an ausgefallenen Geschäften, kleinen Lokalen und hippen Bars vorbei. Doch welcher Schatz sich hinter so manch unscheinbarer Tür verbirgt, offenbart sich erst, wenn einem Einlass gewährt und ebensolche geöffnet wird. Einer dieser Schätze ist ein 400 Quadratmeter großes Kellergewölbe, in dem unzählige Weinflaschen unter perfekten klimatischen Bedingungen lagern. Hier werden Flaschen aber nicht einfach gebunkert, bis sie als Speisenbegleiter und somit fast nebensächlich auf dem Tisch landen. Vielmehr dient dieser mystisch wirkende Ort dem Zweck, dem Rebensaft in geselliger Runde zu huldigen.

Maximal sechs Gäste darf ein Mitglied des Weinclubs Club7 mit in die heiligen Hallen bringen, um gemeinsam das Weintrinken zu zelebrieren. Warum also nicht einfach eine gute Flasche in einer Weinbar trinken? Es gehe ein bisschen darum, zu zeigen, was man hat. Außerdem wolle man lieber diskret und unter sich bleiben. Weinclub-Betreiberin Brigitte Achs händigt nicht jedem Interessenten sofort einen Schlüssel aus. Sie habe eine gute Menschenkenntnis und achte penibel darauf, wer in ihren Club kommt.

"Viele unserer Kunden sehen die Räumlichkeiten als verlängertes Wohnzimmer. Obwohl sie zu Hause meist selbst einen großen Weinkeller haben, kommen sie gerne hierher. Vor allem bei Geschäftsterminen lässt es sich hier entspannter trinken als in den eigenen vier Wänden", sagt Achs, die ein lockeres Verhältnis zu ihren Kunden pflege – sofern sie die Hausordnung einhalten.

Rund 25.000 Flaschen Wein können im Keller der Winebank im Wiener Kipferlhaus gelagert werden.
Foto: wineBANK Wien im Kipferlhaus

Wein lagern und trinken

Ein ähnliches Konzept hat dieses Jahr mit der Winebank im Wiener Kipferlhaus eröffnet. Es ist bereits die siebente Zweigstelle des deutschen Unternehmens, dessen Weinkeller noch schicker und größer daherkommt als jener des Club7. Das Konzept ist dabei immer das gleiche: Wein lagern, herzeigen und trinken.

Ein verlängertes Wohnzimmer der anderen Art soll im November hingegen in der Wiener Innenstadt eröffnen. Oliver Sartena, lange in der Geschäftsleitung von Wein & Co, hatte die Idee von der zwanglosen und zeitgemäßen Annäherung an das Thema Wein. Am Stubenring will er deshalb demnächst einen Weinshop eröffnen, der so ganz anders ist, als das, was man bisher kennt. Lockere Beratungsgespräche mit motivierten Weinfreaks, Verkostungsmöglichkeit jedes Weines, Zugang zu unbekannten Winzern und Geheimtipps sowie ein Rückgaberecht des kompletten Einkaufs, wenn der Wein nicht schmeckt. Das klingt so verrückt wie genial und zielt darauf ab, Wein als Genussmittel und nicht als hochstilisierte Wissenschaft zu sehen. "Es geht immer um den eigenen Geschmack und sonst gar nichts. Jeder kann guten von schlechtem Wein unterscheiden, sofern er ihn probiert. Natürlich kann man auch ohne Wein leben. Wir wollen aber zeigen, dass Weintrinken richtig cool sein kann", sagt Sartena.

Im Club7 gibt es auf 400 Quadratmetern 108 Weinfächer in unterschiedlichen Größen.
Foto: Club7

Entkrampfen

Dass das Weintrinken bereits wesentlich entspannter ist als noch vor einigen Jahren, beobachtet auch Sommelier Matthias Pitra (Tian Restaurant), der seit kurzem Workshops anbietet, in denen es ausschließlich um Genuss und den zwanglosen Umgang mit Wein geht. "Das Interesse am Wein wird immer größer. Dabei geht es nicht immer darum, teuren Wein zu trinken. Das Trinken steht im Vordergrund. Es wird zelebriert und zum privaten Event. Früher hat man zu Hause mit Freunden oft Bier getrunken. Viele junge Leute trinken jetzt Wein. Das liegt auch daran, dass die Weine immer besser werden und die Weinhändler ein immer breiteres Sortiment anbieten. Heute kann jeder zu einem Händler gehen und sich eine gute Flasche Wein zu einem vernünftigen Preis holen", sagt Pitra.

Weinclub-Mitglieder von Brigitte Achs müssen nicht einmal zum Händler gehen. Sie können ihren Wein direkt bei ihr bestellen. "Ich schlichte den Wein dann gleich in die Fächer. Das ist eine gute Fitnessübung für mich", sagt Achs, die rund die Hälfte ihrer 108 Weinfächer vermietet hat. Das größte Fach hat Platz für mehr als 600 Flaschen.

Foto: Bild "Weinkorken" von Armin Karner, fotografiert von Heidemarie Seywald

Trinkreife

Das mag für Laien groß wirken, für Clemens Riedl und Markus Inzinger wäre dieses Fach aber definitiv zu klein. Mit ihrem Unternehmen Trinkreif verkaufen sie Weine, die bis zur Trinkreife bei ihnen lagern. "Im Handel und in der Gastronomie muss der Wein schnell wieder verkauft werden. Das ist unsere Nische, weil wir trinkreifen Wein anbieten können. Es gibt Winzer, die ihre eigenen Weine von uns wieder zurückkaufen. Kaum ein Winzer kann es sich leisten, 70 Prozent eines Jahrgangs zur Seite zu legen und zu lagern, bis er trinkreif ist. Die beste Flasche ist für den Winzer die, die aus dem Weingut draußen ist. Mit den Einnahmen muss er den nächsten Jahrgang finanzieren", sagt Riedl. Dass die Fans von trinkreifen Weinen immer jünger werden, beobachtet auch Inzinger: "Es kommen immer wieder junge Leute auf uns zu, die sich für Wein interessieren. Auch wenn das Budget oft eingeschränkt ist, kaufen sie die eine oder andere Flasche, um sie mit Freunden zu trinken."

Davon will auch Sartena mit seinen Just-Taste-Läden profitieren. Nach der Eröffnung in Wien sollen weitere Geschäfte in Hamburg und Berlin folgen und junge Leute für Wein begeistern. "Übrig bleibt nur die Elite, die es für einen Fauxpas hält, so zwanglos mit dem Thema umzugehen. Wein ist was Tolles, aber nicht die wichtigste Sache der Welt. Das müssen wir uns immer vor Augen halten", sagt der Unternehmer. (Alex Stranig, RONDO, 13.10.2016)