Bild nicht mehr verfügbar.

Luis Bárcenas, ehemaliger spanischer Finanzminister und Mitglied des Partido Popular, vor seiner Aussage vor dem Höchstgericht.

Foto: REUTERS/Susana Vera

Die Korruption rund um Spaniens konservative Regierungspartei Partido Popular (PP) von Mariano Rajoy wird seit Dienstag vor dem obersten Strafgerichtshof, der Audiencia Nacional, verhandelt. 37 Angeklagten drohen Strafen von bis zu 125 Jahren. Die mafiaähnliche Struktur wurde von den Ermittlungsbehörden "Gürtel" getauft. Dieser Codename geht auf die Übersetzung des Nachnamens des Kopfs des Netzwerks, den Unternehmer Francisco Correa, zurück.

Hochrangige PP-Politiker angeklagt

Unter den Angeklagten befinden sich 20 teils hochrangige PP-Politiker, darunter mehrere frühere Bürgermeister, Minister der Regionalregierung des Landes Madrid und zwei ehemalige Schatzmeister der Partei, Ángel Sanchís und Luis Bárcenas. Ein dritter Schatzmeister kommt ungeschoren davon, der 89-Jährige leidet an Altersdemenz. Die PP als solche ist ebenso wie die ehemalige Gesundheitsministerin Ana Mato als "Nutznießerin" angeklagt.

Renovierung der Parteizentrale mit Schwarzgeld

Das Verfahren beschäftigt sich nur mit der "ersten Phase" des Netzwerks von 1999 bis 2005. In neun weiteren Verfahren sollen weitere Delikte aus jüngerer Zeit abgeurteilt werden, darunter die Renovierung der Parteizentrale der PP im Zentrum Madrids mit Schwarzgeld.

Unter den 300 geladenen Zeugen befindet sich praktisch die gesamte Regierung des ehemaligen Premiers José María Aznar, so zum Beispiel sein Stellvertreter und Finanzminister, der spätere IWF-Direktor Rodrigo Rato. Rato steht in einem anderen Saal der Audiencia Nacional wegen Geldwäsche an der Spitze der Madrider Bank Bankia selbst vor dem Richter.

Bereicherung an öffentlichen Aufträgen

Das "Netzwerk Gürtel" bereicherte sich an öffentlichen Aufträgen. Ein Geflecht aus Unternehmen rund um Francisco Correa, der es dank seiner Beziehungen zur PP erst unter Aznar und dann unter Rajoy vom Hotelpagen zum Multimillionär gebracht hat, erhielt Baugelände und Baugenehmigungen sowie Aufträge der privatisierten kommunalen und regionalen Dienstleistungen. Dafür flossen Millionenbeträge an die Verantwortlichen in Partei und Verwaltung. Unter anderem organisierte er die Prunkhochzeit der Tochter Aznars, Kindergeburtstage für Ministerin Mato, zahlte Reisen und teure Autos für mehrere Bürgermeister in Vororten Madrids. Correa, der im Netzwerk als "Don Vito" bekannt war, drohen 125 Jahre Haft.

Schwarzgeldkassen gefüllt

Außerdem zeigte sich Correa gegenüber der Partei als solcher erkenntlich. So richteten seine Unternehmen mit Geld aus öffentlichen Aufträgen Wahlkampfveranstaltungen aus, spendierten Reisen und füllten die Schwarzgeldkasse der PP auf regionaler und staatlicher Ebene. Schatzmeister Bárcenas verteilte in der Parteizentrale großzügig Umschläge mit Zusatzlöhnen aus diesen Einnahmen. Auch Regierungschef Rajoy soll davon begünstigt worden sein. Die Onlinezeitung "El Plural" machte sich die Mühe und errechnete die unterschlagene Summe aus allen zehn "Gürtel"-Verfahren: 863 Millionen Euro soll die Spanier die Selbstbedienung der PP gekostet haben.

Bárcenas, für den die Staatsanwaltschaft 42 Jahre Gefängnis fordert, hortete allein in der Schweiz 48 Millionen Euro. Er wird vor Gericht belegen müssen, woher dieses Geld stammt. Bisher behauptete er immer, es sei sein Privatvermögen, das er mit Kauf und Verkauf von Kunst gemacht habe. Die PP reklamiert das Geld aus verständlichen Gründen nicht für sich. (Reiner Wandler aus Madrid, 4.10.2016)