Ein paar Zehntelprozentpunkte: Diese hauchdünne Mehrheit hat in Kolumbien darüber entschieden, dem längsten Bürgerkrieg Lateinamerikas kein Ende zu setzen. Nach dem Brexit-Votum in Großbritannien hat nun in Kolumbien, so heißt es, "das Volk" gesprochen.

"Das Volk", das waren in Großbritannien 36 Prozent der Wahlberechtigten, in Kolumbien war es ein knappes Drittel. Dass zwei Drittel gar nicht zu den Urnen schritten, lag an Regenfällen und Sturmböen durch die Ausläufer des Hurrikans Matthew oder auch am komplexen 300-Seiten-Vertrag selbst.

Natürlich gibt es – abseits der Wirtschaftsinteressen zahlreicher Kriegsprofiteure – auch valide Argumente gegen das Abkommen. Um die ging es jedoch meist gar nicht. Der Plebiszit-Wahlkampf in Kolumbien war ebenso wie jener in Großbritannien emotionsgeladen statt faktenorientiert. Hier wie dort diente die Abstimmung vielen dazu, ihren Unmut über die regierende Elite auszudrücken.

Emotionen aber eignen sich nicht als Basis für Entscheidungsfindungen, schon gar nicht für Beschlüsse von historischer Tragweite. Ein fundamentales Abkommen, das einen mehr als ein halbes Jahrhundert währenden Gewaltkonflikt beenden soll, ist ein komplexes Thema, bei dem einfache Antworten wie Ja oder Nein nicht ausreichen. Dafür müssen schwierige Kompromisse gefunden werden. Per Volksentscheid sind diese schlicht nicht möglich. (Anna Giulia Fink, 3.10.2016)