Zellentrakt in der Justizanstalt Josefstadt in Wien. Vier Monate verbrachte ein psychisch kranker Straftäter in einer gewöhnlichen Zelle in U-Haft, obwohl seine Einweisung längst angeordnet war.

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Wien – Ein junger Mann, der an einer paranoiden Schizophrenie leidet und deswegen in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen werden soll, sitzt seit vier Monaten unter fragwürdigen Bedingungen in der Justizanstalt Wien-Josefstadt, wo Anfang Juni über ihn die U-Haft verhängt wurde. Der psychisch Kranke ist wie ein "normaler" Strafgefangener in einer Zehn-Mann-Zelle untergebracht.

Einen Psychiater hat der Mann zuletzt am 23. Juni gesehen, bestätigte sein Rechtsbeistand Sven Thorstensen. Ob die Medikamente, die der 28-Jährige verabreicht bekommt, die optimale Wahl sind, ist unklar. Dem Schöffensenat, der am Montag im Straflandesgericht über den Unterbringungsantrag zu entscheiden hatte, wurde von der Justizanstalt keine psychiatrische Stellungnahme zu seinem aktuellen Befinden übermittelt. Dabei hatte die vorsitzende Richterin Eva Brandstetter eine solche am 22. September mittels Rückscheinbrief an die Anstaltsleitung erbeten. Die Übernahme des Schreibens wurde zwar bestätigt, die Stellungnahme aber langte bis zuletzt nicht ein, obwohl sich Brandstetter noch während der Verhandlung darum bemühte. Diese wurde dreimal unterbrochen, weil die Richterin dem Dokument "hinterhertelefonierte".

Verlegung angedacht

Dass der 28-Jährige sich nach wie vor im Gefängnis und nicht in einem Krankenhaus befindet, ist umso erstaunlicher, als schon am 14. Juni in einem internen Bericht der Justizanstalt vermerkt wurde, seine Verlegung ins Landesklinikum Mauer sei "angedacht". Spätestens mit dem Vorliegen des Gutachtens des von der Justiz beigezogenen Gerichtspsychiaters Peter Hofmann, der deutlich machte, dass der Mann schwer krank und zurechnungsunfähig ist, wäre zu erwarten gewesen, dass die Überstellung erfolgt.

Tatsächlich wurde am 5. August in einer Haftverhandlung beschlossen, die U-Haft im Sinne des Gutachtens in eine vorläufige Anhaltung in einer psychiatrischen Abteilung umzuwandeln. Obwohl der Beschluss der Haft- und Rechtsschutzrichterin Rechtskraft erlangte, wurde er nicht umgesetzt.

Insasse will in Anstalt

Der von der Haft gezeichnete Mann – nach eigenen Angaben kann er in der Zelle, die er mit neun Mitgefangenen teilt, nicht schlafen und kaum essen – bettelte geradezu um seine Einweisung. "Machen Sie, dass ich in eine Anstalt komme!", meinte er zum Schöffensenat.

Bei dem 28-Jährigen dürfte vor rund fünf Jahren seine Erkrankung ausgebrochen sein. 2012 wurde er erstmals nach dem Unterbringungsgesetz in der Psychiatrie behandelt, nachdem er auf seine Mutter losgegangen war. Diese hatte zuvor einen Molotow-Cocktail weggeräumt, den ihr Sohn unter dem Einfluss seiner paranoiden Schizophrenie gebastelt hatte. Der Mann leidet unter Wahnvorstellungen, fühlt sich verfolgt, vermeint, in der Wohnung, in der er gemeinsam mit seiner Mutter lebt, wären zu seiner Überwachung Kameras angebracht.

Aggression gegen Mutter

Als er im Oktober 2012 aus der Psychiatrie entlassen wurde, ging es ihm zunächst besser. Dann wurde er allerdings von seiner Freundin verlassen, was ihn dazu brachte, seine Medikamente abzusetzen. Seine Aggression richtete sich nun primär gegen die Mutter, der er vorwarf, sie würde die Ex-Freundin von ihm fernhalten. Der Frau, die der Sohn in der Vergangenheit krankenhausreif geprügelt hatte und schon einmal erdrosseln wollte, wurde angst und bang, als er ihr telefonisch drohte, er werde sie "entweder durch mich oder meine Leute von der Mafia umbringen". Sie erwirkte ein Betretungsverbot.

Als der 28-Jährige am 9. Juni vor ihrer Wohnung in Floridsdorf auftauchte, rief sie aus Angst die Polizei um Hilfe. Eine Funkstreife und zwei Wega-Beamte bemerkten den Mann vor dem Stiegenhaus und forderten ihn zur Ausweisleistung auf. Darauf beschimpfte er die Beamten, kündigte ihnen Tod und Verderben an und soll versucht haben, einem einen Faustschlag zu verpassen.

"Sie waren gemein. Sie haben schlecht über mich geredet", rechtfertigte sich der Mann im Straflandesgericht. Hingeschlagen habe er "mit der Hand, nicht mit der Faust. Leicht, nicht fest". Gegen die von den Beamten ausgesprochene Festnahme setzte er sich zur Wehr, wurde von den Wega-Beamten aber im Nu überwältigt und auf eine Polizeiinspektion gebracht. (APA, 3.10.2016)