Etwa 20.000 Demonstrantinnen versammelten sich am Montag vor dem Warschauer Sitz der regierenden Partei für Recht und Gerechtigkeit (PiS) des ehemaligen Ministerpräsidenten Jaroslaw Kaczynski.

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Einen Frauenstreik hat es in Polen noch nicht gegeben. Für Montag ist er ausgerufen. Im ganzen Land sollen Polinnen schwarze Trauerkleidung tragen und versuchen, den Staat lahmzulegen. Denn es sind die vom Volk gewählten Parlamentarier, die in erster Lesung ein totales Abtreibungsverbot angenommen haben. Ein weiteres Gesetzesprojekt soll die "Pille danach" verbieten, da diese angeblich eine Früh-Fehlgeburt auslöse. Schon am Samstag versammelten sich tausende wütende Polinnen vor dem Sejm, dem Abgeordnetenhaus in Warschau. "Stoppt die Fanatiker an der Macht", skandierten sie, klagten aber auch die Gynäkologen an. Diesen sei das eigene "gute katholische Gewissen" wichtiger als die Gesundheit ihrer Patientinnen.

Schon heute hat Polen neben Malta und Irland eines der restriktivsten Abtreibungsgesetze in Europa. Legal darf eine Schwangerschaft innerhalb der ersten drei Monate nur abgebrochen werden, wenn sie das Ergebnis einer Vergewaltigung ist, Leben und Gesundheit der Mutter in Gefahr sind oder aber das Kind schwerstbehindert oder ohne Überlebenschance zur Welt kommen würde. Polnischen Klerikern wie auch katholischen Fundamentalisten ging dieses Gesetz von 1993 nicht weit genug. Jahrelang zeigten sie blutrünstige Fotoausstellungen mit abgetriebenen "Babys".

Dennoch lehnten Abgeordnete bisher die Verschärfung des Abtreibungsgesetzes ab. Seit Oktober letzten Jahres aber regiert in Polen die nationalpopulistische Recht und Gerechtigkeit (PiS), deren Sieg auch auf die Wahlwerbung der katholischen Kirche Polens zurückgeht. Zwar bedankten sich die PiS-Mächtigen schon wortreich für die erfolgreiche Wahlhilfe bei Polens Bischöfen, doch allen Polen war klar, dass hier noch einige Rechnungen zu begleichen sind. Eine davon ist das verschärfte Abtreibungsgesetz.

Rechte Bürgerinitiative

Vor den Wahlen hatte Beata Szydlo, die heutige Regierungschefin, versprochen, dass ihre Formation keine Gesetzesprojekte von Bürgerinitiativen in den Papierkorb werfen werde. Genau das taten aber die PiS-Abgeordneten, als sie vor einigen Tagen zwei Gesetzesinitiativen in erster Lesung kennenlernten. Das Projekt der Gruppe "Retten wir die Frauen!", das eine Liberalisierung des restriktiven Abtreibungsgesetzes vorsah, landete ohne weitere Beratung im Papierkorb. An die zuständige Kommission weitergeleitet wurde hingegen das Projekt der Bürgerinitiative "Stopp Abtreibung". Diese hatte das für seine rechten Ansichten bekannte Institut Ordo Iuris mit der juristisch einwandfreien Formulierung des Bürgerbegehrens beauftragt. Am Samstag hörten die PiS-Abgeordneten, was die Demonstrantinnen davon hielten: "Schande!", skandierten sie vor dem Sejm.

Parallel zum parlamentarischen Vorstoß der Bürgerinitiativen ließ die Bischofskonferenz in allen katholischen Kirchen einen Hirtenbrief verlesen, der keinen Zweifel daran ließ, auf wessen Seite das Episkopat stand. Sowohl PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski als auch Premierministerin Beata Szydlo stellten sich "als gläubige Katholiken" umgehend hinter die Bürgerinitiative.

Manche Arbeitgeber haben etwas gegen die Frauenproteste

Das nunmehr in erster Lesung angenommene Gesetzesprojekt sieht Gefängnisstrafen von bis zu fünf Jahren für eine Abtreibung vor – zum Beispiel bei Lebensgefahr für die Schwangere oder nach einer Vergewaltigung. Hinter Gittern würde dann nicht nur die Hilfe suchende Frau landen, sondern auch der die Patientin behandelnde Arzt.

"Fundamentalismus hat mit Religion nicht allzu viel zu tun", sagt die bekannte Radiojournalisatin Ewa Wanat. "Ob jemand nach einem Stein greift, um eine angebliche sündige Frau zu töten, oder im Sejm auf einen Knopf drückt, um eine Frau zu einer lebensbedrohlichen Geburt zu zwingen – in beiden Fällen handelt es sich um ein Todesurteil." (Gabriele Lesser aus Warschau, 3.10.2016)