Man hätte heute schon ein Ergebnis wissen können. Am Sonntag hätte die Wiederholung der Stichwahl zwischen den beiden Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen stattfinden sollen – stattdessen ist viel passiert, nur keine Wahl. Die musste in den Advent verschoben werden – wegen einer Klebepanne.

Niemand ist darüber begeistert, viele sind verärgert, aber die Österreicher tragen es mit Fassung und der ihnen eigenen Gelassenheit: Wählen wir halt noch einmal, wählen wir halt später. Die verbliebenen Kandidaten werden sich zum Zeitpunkt, da hoffentlich ohne weitere Komplikationen ein neuer Bundespräsident feststehen wird, ein knappes Jahr lang im Wahlkampf befunden haben. Eine Belastung nicht nur für die beiden, sondern für das ganze Land.

Die FPÖ hat in dieser Zeit nichts unversucht gelassen, um das Misstrauen ihrer Anhänger gegen den Wahlvorgang zu befeuern. Mit gezielt gestreuten Gerüchten wurde der Eindruck geschürt, es handle sich um eine geschobene Partie, um Betrug, um eine breit angelegte Verschwörung, die zum Ziel hat, der FPÖ den Sieg zu nehmen und deren Vormarsch zu stoppen.

Die Vorgänge bei den ersten beiden Wahlgängen, als Wahlkarten zu früh geöffnet und Stimmen vorzeitig ausgezählt wurden, waren leider dazu angetan, das Vertrauen der Bürger, und nicht nur jener, die der FPÖ nahestehen, zu beschädigen. Die Behörden waren nicht in der Lage, das rechtmäßige Zustandekommen der Wahl sicherzustellen. Das ist Fakt. Auch wenn keine böse Absicht im Spiel war, sondern Schlamperei. Der Verfassungsgerichtshof folgte schließlich den Argumenten der FPÖ und hob die Wahl mit einem zunehmend umstrittenen Erkenntnis auf. Auch wenn die FPÖ ständig anderes suggeriert: Es wurden keinerlei Manipulationen festgestellt.

Der Verfassungsgerichtshof hat seinerseits maßgeblich dazu beigetragen, jegliches Misstrauen weiter zu nähren, indem eines seiner Mitglieder in einem Anfall von Geltungswut an die Öffentlichkeit getreten ist und der FPÖ vorgeworfen hat, die Wahl gezielt sabotiert zu haben. Vieles an der Argumentation ist schlüssig, allerdings fehlen die Belege. Das Verfassungsgericht hat sich damit eine Diskussion über seine eigene Aufstellung eingefangen, die zwar zu führen sein wird, die Position dieser Instanz aber weiter schwächt. Das wiederum ist durchaus im Interesse der FPÖ, die die Einrichtungen dieser Republik beständig unter Feuer nimmt, um sie sturmreif zu schießen. Hier wird eine Form der Machtübernahme vorbereitet, vor der man sich getrost fürchten kann.

Diese Auseinandersetzung mit der FPÖ wird zu führen sein, dazu braucht es eine selbstbewusste Demokratie und politische Repräsentanten, die glaubwürdig und integer in ihren Absichten sind. Nicht alles deutet derzeit darauf hin, dass wir über diese auch ausreichend verfügen.

Vorläufig haben die politisch interessierten Bürger den Wunsch, dass endlich wieder ein Bundespräsident in der Hofburg sitzt – der richtige, damit zumindest dort Ruhe einkehren kann. Dann sind die Köpfe frei für die nächste Wahl, die es bereits im Frühjahr 2017 geben könnte, wenn die Koalition zwischen SPÖ und ÖVP endgültig gescheitert sein wird. Und dann erst steht eine Wahlauseinandersetzung an, deren Ausgang für die Zukunft des Landes tatsächlich von entscheidender Tragweite sein wird. (Michael Völker, 2.10.2016)