Männer haben im Normalfall mehr als Frauen, Menschen in westlichen Industriestaaten mehr als der Rest. Jene, die ohnehin schon mehr haben, haben auch mehr Chancen, das, was sie haben, zu vermehren, als jene, die bisher nichts haben. Und während bei Geschlechtern und globaler Verteilung die Ungleichheit sinkt, wächst sie anderswo wieder an – in Österreich etwa zwischen Alten und Jungen und Armen und Reichen.

Das wird zunehmend auch zum Problem mit massiver politischer Sprengkraft, wie mehreren Beiträgen im neu erschienenen Buch Ungleichheit aus der Reihe Phoenix zu entnehmen ist. Herausgeber Gerfried Sperl hat dafür Beiträge aus vielen unterschiedlichen Perspektiven gesammelt, die sich teils mit wissenschaftlichem und teils mit künstlerischem Zugang dem Phänomen annähern.

Problem oder nicht?

Mit durchaus unterschiedlichen Resultaten: Eingerahmt von einem Text Elfriede Jelineks und von ins Heute gesetzten Nestroy-Couplets des STANDARD-Kolumnisten Hans Rauscher, diagnostiziert etwa Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz einen Zulauf Junger zu linken Parteien. Politologe Colin Crouch warnt umgekehrt vor einem Erstarken der Rechten und der Erosion der Demokratie.

Kurz und knapp nimmt dazwischen die in Sambia geborene Ökonomin Dambisa Moyo, Autorin des umstrittenen Entwicklungshilfe-Buches Dead Aid, die unterschiedlichen Zugänge zur Behebung der Ungleichheit international und national unter die Lupe – als wirklich zielführend bewertet sie keinen.

Vielleicht ist aber auch das Ziel insgesamt das falsche: Das argumentiert etwa Philosoph Harry G. Frankfurt. Er findet, Ungleichheit an sich sei kein moralisches Problem. Stattdessen solle der Fokus besser darauf liegen, dass niemand zu wenig habe. Unbeantwortet bleibt dabei freilich vorerst die schwierige Frage, wer dann festlegt, wie viel "genug" ist. (Manuel Escher, 3.10.2016)