Der klassische 50-Minuten-Takt der Unterrichtsstunde muss nicht immer das Maß aller Dinge sein.

Foto: apa/GEORG HOCHMUTH

Lorenz Lassnigg, Bildungsexperte des Instituts für Höhere Studien, sprach das Unerhörte aus: Politik und Interessenvertretung würden jede Veränderung an unseren Schulen blockieren und Verbesserungen verhindern. Wir Supervisoren kommen regelmäßig auch in Schulen zum Einsatz. Wie sehen wir diesen ganz besonderen Arbeitsplatz?

Unsere Aufgabe als Supervisor oder Coach besteht darin, Lehrer bei Problemen zu unterstützen und zu beraten, entweder im Einzelgespräch oder in einer Gruppe. Dadurch lernen wir ihre Schwierigkeiten aus nächster Nähe kennen. Leider müssen wir dabei erleben, dass die Probleme jahraus, jahrein dieselben bleiben. Wir beraten, wir reparieren, wir kleben Pflaster auf die Verletzungen und sorgen dafür, dass die Maschinerie Schule weiterläuft. Aber ein Jahr später stehen wir wieder vor der gleichen Situation und müssen die gleichen Probleme bearbeiten wie immer. Warum? Weil die Strukturen, die viele Probleme erzeugen, nicht verändert worden sind. Wenn die Strukturen sich nicht ändern, werden immer wieder die gleichen Schwierigkeiten entstehen. Und wir können immer nur nachträglich reparieren.

Steter Quell von Frustration

Geschäftlich sollte uns die Lage ja beinahe freuen. Die Schule erweist sich als niemals versiegender Quell von Frustration am Arbeitsplatz und schafft Nachfrage nach Supervisionsstunden. Sinnvoll für die Bildung ist das allerdings nicht immer. Statt noch mehr Supervision und Coaching in den Betrieb zu pumpen, sollte man lieber das System verbessern. Dann entstehen weniger Probleme, dann braucht man auch weniger Reparaturmaßnahmen.

Beispiele für einfache und wirksame Verbesserungen gibt es ja genug. Ein Schuldirektor soll sich seine Lehrkräfte selbst aussuchen dürfen, so wie jeder andere Leiter einer Organisation sich sein Personal aussuchen kann. Ein Direktor muss auch die Möglichkeit haben, Lehrer zu kündigen; derzeit besteht keine reale Chance, einen schlechten Lehrer jemals loszuwerden.

Durcheinander zu Schulbeginn

Und warum bricht jeden September ein völlig unnötiges Durcheinander über Lehrer, Kinder und Eltern herein? Denn die Schule beginnt, aber der Stundenplan steht noch nicht endgültig fest. Warum kann der Stundenplan nicht schon vor dem ersten Schultag vorbereitet werden? Ist es undenkbar, dass Leitung und Lehrer schon eine Woche vorher mit der Vorarbeit anfangen?

Auch andere starre Regeln erweisen sich manchmal als hinderlich. Der klassische 50-Minuten-Takt der Unterrichtsstunde muss nicht immer das Maß aller Dinge sein. Und an einem Montagmorgen beginnt man besser nicht gleich mit dem Unterricht, sondern stimmt die Kinder nach dem Wochenende erst einmal auf Arbeit ein. Jede professionelle Gruppenarbeit beginnt damit, dass man die Gruppe zuerst arbeitsfähig macht.

Versteinerte Strukturen

Fazit: Nach den Erfahrungen von Supervisoren und Coaches hat Lassnigg vollkommen Recht. Die versteinerten Strukturen, die von den Bewahrern des Status quo verteidigt werden, müssen sich ändern. Sie müssen sich ändern dürfen. Sein Vorschlag, dass engagierte Lehrer und Bildungsexperten – ohne Zuruf von außen – die nötigen Reformen entwickeln, ist eine ganz hervorragende Idee. Bitte umsetzen! Wir Supervisoren und Coaches sind mit dabei. (Wolfgang Knopf, 4.10.2016)