"Tatort" aus Dresden: "Der König der Gosse". Im Bild: Alwara Höfels (Hennie Sieland), Arved Birnbaum (Hansi).

Foto: ORF/ARD/Gordon Mühle

Das Rashomon-Tor sucht man in Dresden vergeblich. Und statt eines Lustwäldchens wie im Filmklassiker von Akira Kurosawa findet man an der Elbe bloß ein heruntergekommenes Mietshaus, ein Nobelrestaurant, eine Theaterbühne – und ein Kommissariat.

Das sind die Schauplätze, an denen "Der König der Gosse", der gleich zu Beginn der jüngsten "Tatort"-Folge (Sonntag, ORF und ARD) sein Leben lassen muss, seine Spuren hinterlassen hat – und Kommissariatsleiter Schnabel (Martin Brambach) und seine Kolleginnen (Alwara Höfels und Karin Gorniak) damit beschäftigt, sich einmal im Obdachlosenmilieu genauer umzusehen.

Der frühe Abgang des Wohltäters

Mit dem frühen Abgang des Wohltäters, dem seine Barmherzigkeit nicht nur Freunde beschert hat, haben sich die Drehbuchautoren gleich selbst ein dramaturgisches Geschenk gemacht. Denn erzählen nun die drei zerlumpten Obdachlosen die Wahrheit oder doch der Bruder des Toten? Jedenfalls schieben sich diese vier den Mord gegenseitig in die Schuhe.

Und wie ist jener Abend tatsächlich verlaufen, an dem beim Italiener ein verhängnisvolles Dinner stattfand? Das alles bekommt man, dem Rashomon -Prinzip entsprechend, in den unterschiedlichsten Varianten und Perspektiven zu sehen. Eine Idee, die, das muss man sogar den Nachahmern zugutehalten, im TV-Format überraschend gut funktioniert.

Der falsche Brecht

Dass das Theater als Bühne der ausgestellten Milde funktioniert, daran glaubt man am Ende allerdings nicht. Genauso wenig, dass das Bertolt Brecht untergeschobene Zitat über die Gesellschaft, deren Verfassung sich am Umgang mit ihren schwächsten Mitgliedern zeigt, stimmt. Die Schwachen müssen sich nicht nur in Dresden auf eigene Beine stellen. (Michael Pekler, 2.10.2016)