Saudi-Arabien in den USA zu klagen ist fortan eine Option für Familien der Opfer der Terrorangriffe vom 11. September 2001: Obwohl eine US-Untersuchungskommission keine Beweise für die Verwicklung saudi-arabischer Offizieller in die Attentate fand, reichen gewisse Kontakte aus, die einzelne Täter ins Umfeld saudi-arabischer Diplomaten hatten, um den Verdacht gegen Riad am Leben zu erhalten. Dass sich die US-Legislative erst fünfzehn Jahre nach 9/11 als Interessenvertreterin der Opfer der Sache annimmt und dafür sogar ein Veto des US-Präsidenten überstimmt, reflektiert allerdings einen grundlegenden Wandel der US-Beziehungen zu Saudi-Arabien.

Zu diesem Wandel hat Barack Obama selbst viel beigetragen, auch wenn er scharfe Kritik am Kongressvotum übt. Von seiner Iran-Normalisierungspolitik bis zu sehr kritischen Äußerungen über Riads unsauberes Verhältnis zum Radikalismus: Der Präsident hat der Entfremdung in der amerikanisch-saudischen strategischen Partnerschaft, die 9/11 einsetzte, erst eine offizielle Stimme gegeben. Ironischerweise trifft es heute ein Saudi-Arabien, das sich erstmals selbst mit seiner Zauberlehrlingspolitik – der Instrumentalisierung radikaler Kräfte, die längst auch das Königreich gefährden – auseinanderzusetzen beginnt.

Gerade weil Obama die US-Beziehungen im Nahen Osten neu austariert hat, hat er keinerlei Interesse daran, das Verhältnis zu Saudi-Arabien noch mehr zu belasten. Alles, was es als eigene Schwächung empfindet, sieht Riad als eine Stärkung des Iran – und reagiert dementsprechend. Die Konfliktlösung im Nahen Osten, für die eine minimale iranisch-saudische Verständigung nötig ist, wird nach dieser Kongressentscheidung nicht leichter werden.

Auch die anderen Dimensionen können einem US-Präsidenten nicht gefallen: Andere Parlamente, andere Staaten könnten auf ähnliche Gesetzesideen kommen, diesmal zuungunsten der USA. Und da ist selbstverständlich auch noch die geschäftliche Seite: Saudi-Arabien wird sich überlegen, ob sein Vermögen in den USA langfristig sicher ist. Bis erste Gerichtsurteile überhaupt gefällt werden könnten, werden allerdings Jahre vergehen. Und es ist auch keineswegs so, dass sich Saudi-Arabien umdrehen und nach Belieben einen anderen Partner finden kann: Eine siebzig Jahre währende Ehe ist nicht so schnell aufzulösen, auch wenn sie nicht aufgrund von Liebe, sondern aus strategischen Gründen geschlossen wurde. (Gudrun Harrer, 29.9.2016)