Nachdem seine Exfrau ausgesagt hatte, wurde Alen R. wieder in den Gerichtssaal geführt. Er sagt zu den Vorhalten, er habe sie immer wieder geschlagen: Alles Lüge, sie wolle ihn nur "anschwärzen".

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Graz – "Erzählen Sie uns: Was ist er für ein Mensch?", fragt Richter Rom. Die junge blonde Frau, die soeben auf dem Zeugensessel in Begleitung einer Betreuerin Platz genommen hat, versucht zu sprechen: "... Ich kann nicht, ... ich will nach Hause zu meinen Kindern."

Sie wird von Weinkrämpfen geschüttelt, die Begleiterin nimmt sie schützend in den Arm. Alen R. wird aus dem Saal geführt. Regungslos hat er das Erscheinen seiner Exfrau hier im Grazer Gerichtssaal zur Kenntnis genommen.

"Ich schaffe es"

"Schaffen Sie es jetzt?", fragt Richter nach. Sie holt tief Luft: "Ich schaffe es. Meine Aussage ist, dass er alles nur spielt. Er schauspielert nur. Ich habe vier Jahre mit ihm gewohnt. Er wollte immer Erster sein. Er ist gewaltbereit. Er hat mich auch bedroht, auch mit Waffen, auch als ich schwanger war. Er hat mich geschlagen. Ich habe vier Jahre hier schwarz gelebt, ohne Visum." Sie sagt, Alen R. und dessen Eltern hätten ihr den Pass abgenommen.

Alen R. lügt, wenn er behaupte, er sei Christ. "In der Geburtsurkunde der Kinder steht, dass er Moslem ist." Er habe sie gezwungen, ein Kopftuch und eine Burka zu tragen. "Er wollte auch mehrere Frauen haben" . Als die Polizei kam, um sie zum Frauenhaus zu begleiten, habe die Familie alle Cannabispflanzen im Flur vernichtet. Ihr Exmann habe jeden Tag Marihuana mit einem Spezialgerät inhaliert.

Nach Graz sei er immer wieder mit einer Laptoptasche, in die er eine Machete gesteckt habe, gefahren. Mit den Öffis. Wohin, wisse sie nicht, sie habe nicht gewagt, ihn das zu fragen. Immer wieder muss sie weinend unterbrechen. Richter Rom schont sie, versucht sie aber zu ermutigen, weiterzureden. Sie ist die wohl wichtigste Zeugin.

Die gebürtige Bosnierin schildert, wie ihr Exmann mit dem Gewehr in den Garten geballert habe und er von den Nachbarn angezeigt wurde. Alen R. gab ja stets an, sein Schwiegervater habe ihn verfolgt und dieser sei eigentlich der Grund allen Übels. Die Zeugin versichert, die beiden hätten de facto keinen Kontakt gehabt. Richter Rom sieht den Zustand der Zeugin: "Es geht nicht mehr? Hören wir auf."

Konfrontation mit den Aussagen

Alen R. wird wieder hereingeholt. Rom konfrontiert ihn mit den Aussagen der Exfrau. "Ich habe sie nicht geschlagen. Sie lügt. Sie hat sich die Verletzungen selbst zugefügt, auch die Würgemale. Sie will mich nur anschwärzen, dass ich im Gefängnis bleib und sie das Kindergeld bekommt." Das Geld sei auf ihn gemeldet gewesen, er habe es verwaltet. Alles Lüge, auch die Sache mit dem Cannabis.

Entweder spricht er von Lügen oder es fehlt ihm die Erinnerung. Auch an das Inferno, das er beim Billa-Eck am Grazer Hauptplatz angerichtet hatte. Da war dieses Ehepaar mit den beiden Söhnen. Sie waren mit dem Rad unterwegs. "Er hat Vollgas gegeben, die Vorderräder waren einen Meter in der Luft, er hat abgehoben. Es war ein Mordanschlag, dann der Schlag auf meinen Kopf" – an mehr kann sich der Mann nicht mehr erinnern. 18 Brüche, Hauttransplantationen.

Seine Frau hielt ihn damals bereits für tot und sagte zum älteren Sohn: "Gehen wir hinüber, wir müssen uns von ihm verabschieden." Sie rannte zwischen ihrem totgeglaubten Gatten, der in der Blutlache lag, und dem kleinen Sohn, der "vom Auto voll erfasst und mitgeschleift wurde", hin und her. "Überall Blut, Blut", erinnert sie sich vor Gericht, "der Fuß ist 90 Grad weggestanden, das Fahrrad war um ihn herumgewickelt, sie haben Philipp rausgeschnitten." Erst am späten Abend erfuhr sie im Spital, dass beide überlebt haben.

Der Prozess wird heute, Mittwoch, mit den Ausführungen von psychiatrischen und psychologischen Gutachtern fortgesetzt. Im Zentrum stehen jene Gutachter, die Alen R. für zurechnungsfähig halten. (Walter Müller, 27.9.2016)