Lech – Wo die Freiheit gegeben ist, über scheinbar alles zu reden, dort tun Einschränkung und Präzisierung umso mehr gut. Auf dem diesjährigen Philosophicum in Lech "Über Gott und die Welt", das am Sonntag zu Ende ging, nahmen die Vortragenden das Thema mehr oder weniger und jeder auf seine oder ihre Weise ernst.

Das beginnt mit der Frage, ob Gott überhaupt zu begreifen ist – für Hegel eine Kernfrage des Denkens, wie Holm Tetens, emeritierter Philosoph der Freien Universität Berlin, zu bedenken gab. Er kam zu dem Schluss, dass es vernünftiger sei, den Gottesgedanken anzunehmen, um uns selber besser zu verstehen, als dies nicht zu tun und zu meinen, Religion sei, wie der Begründer der Psychoanalyse Sigmund Freud schrieb, nur eine Illusion.

Aber vielleicht ist sie doch eine? Markus Gabriel, Philosophieprofessor an der Universität Bonn, jedenfalls schien seine Vorredner gedanklich und auch im Tempo überholen zu wollen – mit dem Argument, dass Gottes Existenz nicht zwingend sei.

Nun mag es "ihn" vielleicht nicht geben, dafür aber das Bestreben der Menschen, selber gottähnliche Kräfte zu erlangen. Für Käte Meyer-Drawe, emeritierte Pädagogik-Professorin an der Universität Bochum, ermöglicht die Technik dies, mit allen emanzipatorischen und negativen Konsequenzen, vor allem der, dass Maschinen ohne in jedem Sinne menschliches Denken auskommen.

Der Jenaer Phänomenologe Lambert Wiesing hingegen relativierte den philosophischen und den religiösen Zugang zur Sinnfrage "Was heißt es, Mensch zu sein?" zugunsten der ästhetischen Dimension. Wir würden zu wenig darauf achten, sagte er mit Bezug auf Friedrich Schiller, wie sehr Erlebnisse, Spielen und Luxus zur Antwort beitragen – Luxus nicht definiert als Protz, sondern als der Überhang über das Notwendige hinaus, als das, was uns über das rein Zweckmäßige hinaushebt.

Peter Strasser, Rechtsphilosoph aus Graz, unternahm dann doch eine Art Ehrenrettung traditionell philosophischen Denkens in Bezug auf die Schöpfung und unseren Platz im Kosmos. Wobei er selber zugab, dass es angesichts weitverzweigter Spekulationen schwierig sei, "nicht ins Schwadronieren zu kommen".

Mouhanad Khorchide, Religionspädagoge an der Uni Münster, sah sich in Lech als Vermittler verschiedener islamischer Gottesbilder – der gütige, persönliche versus den abstrakten, neuplatonischen Gott – und nicht als jemand, der alle diese Vorstellungen hinterfragen und analysieren würde.

Diesen Part übernahm Rüdiger Safranski. Religionen seien Spielarten des Transzendierens, führte der Literaturwissenschafter der Freien Uni Berlin und Schriftsteller aus, und vergänglich wie alles, was der Mensch macht. Der Westen möge sich ob seiner immer noch vorherrschenden Säkularität keine Sorgen machen, vorausgesetzt, er falle deswegen nicht in eine "leere Transzendenz", eine Eindimensionalität.

Mut zur Faulheit

Zum 20. Mal hat das Lecher Symposium heuer stattgefunden. Weil der Andrang immer größer wurde, musste es dreimal den Ort wechseln – heuer waren es gut 600 Zuhörer in der neuen Kirche. Abendveranstaltungen kamen dazu, die Mittwochrunde, der Tractatus-Preis (heuer zum sechsten Mal, an den Sozialphilosophen Hartmut Rosa) und die Impulsreferate von Vertretern der Sponsoren.

Philosophisch zu behandelnde Sujets sind dem Leiter des Philosophicums Konrad Paul Liessmann bisher nicht ausgegangen, und das Thema für nächstes Jahr steht schon fest: "Mut zur Faulheit. Die Arbeit und ihr Schicksal", 20. bis 24. September 2017. (Michael Freund, 28.9.2016)