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Reisul-ulema Husein Kavazović, der Großmufti in Sarajevo, will das Modell des bosnischen Islam in andere Staaten Europas exportieren, die weniger Traditionen und Institutionen haben.

Foto: Foto: Reuters / Dado Ruvic

"Entweder anerkennen die Moslims die Unhaltbarkeit ihrer Koran'schen Satzungen, und dann sind sie überhaupt keine Moslims mehr, oder sie lassen an dem Althergebrachten nicht rühren, dann (...) sind sie für jede civilisatorische Bestrebung unbrauchbar", urteilte der österreichische Offizier Amand Freiherr von Schweiger-Lerchenfeld im Jahr 1878, als Österreich-Ungarn Bosnien okkupierte, apodiktisch. Am Ende plädierte er aber doch gegen Zwang und für religiöse Toleranz.

140 Jahre später geht es wieder um das Verhältnis zwischen Staat und Kirche, Säkularismus und Religionsfreiheit und um Gesetze und Verträge, die all dies regeln sollen. Am Mittwoch beginnt in Sarajevo eine Islamkonferenz, die vom österreichischen Außenministerium in Zusammenarbeit mit der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Bosnien-Herzegowina organisiert wurde. Diskutiert wird, wie ein "europäischer Islam" auf dem Kontinent, der auch von Zuwanderung von Muslimen geprägt ist, aussehen könnte.

Muhamed Jugo, Experte für die Beziehungen zur westlichen Welt von der Islamischen Glaubensgemeinschaft Rijaset meint: "Wir können Europa helfen, einen europäischen Islam zu entwickeln, weil wir eine hundertjährige Erfahrung mit anderen Kulturen und Religionen haben. Und wir könnten ein österreichisches Modell exportieren."

Islamische Hierarchie

Tatsächlich hat die österreichisch-ungarische Verwaltung kurz nach der Besatzung 1878 eine eigenständige religiöse Hierarchie, eine islamische Kirche aufgebaut. Ziel war damals – ähnlich wie heute in Österreich –, den Einfluss aus der Türkei einzudämmen und die eigene Herrschaft zu festigen. Die Imame mussten einheimische Bosnier sein, und Österreich-Ungarn schuf eine neue Institution – den Rijaset, das Präsidium der Islamischen Glaubensgemeinschaft. Ein erster Großmufti – er heißt bis heute Reisul-ulema – wurde 1882 durch ein kaiserliches Dekret anerkannt.

Im heutigen Bosnien-Herzegowina hat die Islamische Glaubensgemeinschaft hingegen nicht einmal einen Staatsvertrag, anders als die katholische Kirche. Dževada Šuško, Direktorin des Instituts für die islamische Tradition der Bosniaken, plädiert dafür, dass als Vorlage der Vertrag mit dem Vatikan genommen werden könne, dass aber auf spezielle Bedürfnisse der Muslime eingegangen werden müsse.

Seit 2008 wird verhandelt, im Arbeitsrecht ist man sich aber uneinig. Die Glaubensgemeinschaft fordert etwa für Muslime das Recht, während der Pilgerfahrt nach Mekka Urlaub nehmen, am Freitag zu Mittag eine Stunde zum Freitagsgebet gehen zu können und auf dem Arbeitsplatz eine Gebetsmöglichkeit zu bekommen. Ziel des Staatsvertrags sei es auch, dass die Glaubensgemeinschaft den Staat berät, welcher Islamverein eingetragen werden soll. "Damit soll Prävention gegen extremistische Deutungen des Islam geschaffen werden", so Šuško.

Ein heikles Thema ist der Einfluss aus den Golfstaaten. "Die Geldflüsse aus dem Ausland können nicht gestoppt werden", sagt Šuško. Man brauche das Geld für den Wiederaufbau von Moscheen. Allerdings würden die Imame zur Gänze durch Spenden der bosnischen Muslime bezahlt, und künftig sollten Stipendien aus dem Ausland nicht mehr für theologische Studien bereitstehen.

Salafistische Gruppen

Ein weiteres Problem sind die salafistischen Gruppen, die sich in Bosnien seit den 1990er-Jahren formierten. Nach der jüngsten Initiative des Rijaset soll sich – Muhamed Jugo zufolge – die Mehrheit jener 64 Gruppen wieder in die Islamische Glaubensgemeinschaft integriert haben.

Auf dem Flughafen in Sarajevo kann man aber Tag für Tag bosnische Wahhabiten beobachten, wie sie arabische Touristen abholen und unterbringen. Es wächst die Sorge, dass die Wahhabiten durch das Geld der Touristen mehr Einfluss bekommen. Pro Woche fliegen elf Maschinen aus Dubai und zehn aus dem Emirat Schardscha nach Sarajevo. Šuško will beruhigen und meint, dass die Besucher nicht "aus religiösen Gründen" kommen würden. (Adelheid Wölfl aus Sarajevo, 28.9.2016)