Johann Tschürtz (links) legt während der Koalitionsverhandlungen im vorigen Jahr den Rock der reinen freiheitlichen Lehre gerne ab. Das Hemd der Regierungsbeteiligung ist ihm denn doch näher.

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Die burgenländische FPÖ hat, wie man unter Berufung auf die Tante Jolesch gern sagt, "noch ein Glück". Nicht auszudenken nämlich, säße der seit dem Vorjahr mithilfe der SPÖ regierungsamtlichen Partei eine oppositionelle FPÖ gegenüber. Eine FPÖ also voll im Saft, die sich seit Jahr und Tag ins Zeug legt für höchste politische Sauberkeit und dabei Stein und Bein schwört, es selbst ganz, ganz anders zu machen.

Und jetzt das!

"Skandal! Postenschacher! Nepotismus!" So hätte FP-Oppositionsführer Johann Tschürtz den Landeshauptmannstellvertreter Johann Tschürtz wohl zumindest hergenamelt, weil dieser in dem neugeschaffenen Landessicherheitshauptreferat ohne Ausschreibungen (aber eh befristet auf ein Jahr) nicht nur den Bruder von Norbert Hofer angestellt hat als "Sachbearbeiter", sondern auch einen alten Freund, der dem FP-Chef in dessen Homebase den Obmann macht. Und das will was heißen. Der Bezirk Mattersburg ist seit langem von wilden blauen Fehden gebeutelt. Da will, solang nur halbwegs eine Ruh ist, die eine Hand gern die andere waschen.

Posten und Ausbildung

Die Postenbesetzung ist schon im August bekannt geworden durch einen "News"-Bericht. Unlängst drang via aufmerksamen Burgenland-"Kurier" an die Öffentlichkeit, dass ein FP-Funktionär aus dem fernsten Südburgenland in Eisenstadt die Ausbildung zu einem jener Sicherheitspartner durchlaufe, die Sicherheitsreferent Johann Tschürtz demnächst in zuerst einmal neun Pilotgemeinden auf Patrouille schickt.

Um da den Ruch einer diesbezüglichen Geheimniskrämerei gleich gar nicht aufkommen zu lassen, war der junge 23-jährige Mann – gedacht waren die Tschürtz’schen Sicherheitspartner eigentlich vor allem für die Zielgruppe 50 plus – im wahlkampfgeschmückten Auto. Denn nebstbei betätigt er sich ja auch im Tross für Norbert Hofer.

Voller Mund, bellender Hund

Ach nein: Nicht des Aufpudelns wegen soll diese vergleichsweise nebbiche Geschichte erzählt werden. 1.700 Euro brutto – vorderhand eben beschränkt auf ein Jahr – stehen Tschürtzens Sicherheitssachbearbeiter zu, etwas weniger noch einem Sicherheitspartner. Nein, das sind keine Pfründen. Aber es ist doch eine recht lehrreiche Erzählung darüber, wie weit ein vollgenommener Mund trägt. Noch dazu ein gar so voll genommener wie der blaue.

Ein wenig erinnert das schon an den wütend bellenden Hund hinterm Zaun, der eines Tages unverhofft vor einer Lücke steht. Plötzlich findet sich der Bellende dem Angebellten Aug in Aug gegenüber. Wird er nun tun, was er mit dem Bellen versprochen hat: beißen? Oder den Schwanz einziehen und winselnd das Weite suchen?

Vertrauensfrage

Johann Tschürtz sagt, damit eher der zweiten Variante zuneigend: "Es ist klar, dass man natürlich in diesem neugeschaffenen Hauptreferat Sicherheit Vertrauenspersonen sucht." Die Sicherheit – das Burgenland ist, statistisch gesehen, Österreichs sicherstes Bundesland, aber man weiß ja nie – habe nicht nur "höchste Priorität", sondern sei klarerweise auch eine Vertrauensfrage. Schöner sarkastischer Nachsatz: "Einen Grünen werd ich mir reinsetzen!"

Gleichermaßen gelte das auch für den noch auszubildenden Hofer-Wahlkämpfer. Man habe solcherart, lässt er über seinen Sprecher ausrichten, auch ein unmittelbares Ohr im ja noch weiter zu begleitenden und evaluierenden Projekt. "Zwei oder drei durchlaufen deshalb diese Ausbildung." Zwei oder drei FP-Funktionäre. Von insgesamt 25, die nach einer Aufnahmsprüfung aus mehr als 200 Bewerbern gesiebt worden sind.

Reine Lehre

Noch ist das eh immer noch kein Wein. Im Vergleich zum einst gepredigten Wasser aber schmeckt es schon ziemlich danach, vor allem mit der Prise der so oft schon gehörten Rechtfertigung. Man sollte in dem Zusammenhang auch nicht vergessen, dass Johann Tschürtz und sein Parteichef Heinz-Christian Strache 2006 – in grauer Vorzeit, als noch oder gerade wieder die reine Lehre galt – den früheren Klubchef Manfred Kölly ruck-zuck der Partei verwiesen haben, weil dieser für den Fall eines rot-blauen Falles den postenverteilenden "Kölly-Pehm-Pakt" ausbaldowert hatte. (Und weil Klubdirektor Norbert Hofer da dabei gewesen ist, ist das im Präsidentenwahlkampf eh auch wieder zum Thema geworden.)

Mahnende Worte

Manfred Kölly, nunmehr Chef der Zwei-Mandataren-Liste Burgenland, mahnt übrigens jetzt, putzigerweise: "Landeshauptmannstellvertreter Tschürtz betreibt Postenschacher, wie er im Bilderbuch steht."

Die ÖVP mahnt auch, auch sie nicht unputzig. Landesgeschäftsführer Christoph Wolf: "Die FPÖ hat ihre früheren Prinzipien längst über Bord geworfen. Freiheitliche Politik im Burgenland macht sich nur durch Postenschacher, Umfallen und Trittbrettfahren bemerkbar."

Die Grünen mahnen auf ihrem seit dem Vorjahr betriebenen, bisweilen ein wenig gar dick auftragenden Blog Rot-Blau-Watch: "So bleibt nach einem Jahr Arbeit im neu erfundenen Sicherheitsressort der Landesregierung als einzig erkennbares Konzept die Versorgung von Parteifreunden mit neu geschaffenen Posten. Die FPÖ fängt schon an, ihre Spuren zu hinterlassen."

Die SPÖ mahnt – sagt Landeshauptmannsprecher Herbert Oschep wenig überraschend –nicht.

Alt und neu

Géza Molnár, der Klubobmann der Blauen, klarerweise auch nicht. Er sagt, was dem jetzigen Johann Tschürtz ("Es kann doch nicht sein, dass Freiheitliche unter Berufsverbot stehen!") so sehr recht gibt, dass er dem einstigen – der noch nicht zu unterscheiden wusste zwischen altem Proporzsystem und neuem – sehr ordentlich in die Parade führe.

Molnár, auch putzig, um nicht zu sagen blauäugig: "Der Unterschied ist jetzt der, dass man früher, im alten Proporzsystem, als freiheitlicher Bewerber oder einer, dem nachgesagt wurde, FP-nahe zu sein, keine Chance hatte. Die Bewerbung konnte man früher genauso gut in den nächsten Kanal werfen. Das ist jetzt natürlich anders."

Na eben: Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wurde.

(Und nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass die Tante Jolesch zu dieser Chose insgesamt gesagt hat: "Gott soll einen hüten vor allem, was noch ein Glück ist." (Wolfgang Weisgram, 28.9.2016)