Vizekanzler Mitterlehner (rechts) mahnt den Koalitionspartner, den Widerstand gegen Ceta aufzugeben.

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Bratislava – Nach dem informellen Treffen der EU-Handelsminister in Bratislava dürfte es mit der Umsetzung des Freihandelsabkommens zwischen der EU und Kanada (Ceta) schnell gehen. Die kanadische Regierung sagte zu, alle Bedenken seitens der EU-Staaten mittels "rechtsverbindlicher Erklärungen" zum Vertrag zu zerstreuen. Die Kommission wird in den kommenden Tagen die juristischen Texte erarbeiten. Die umstrittenen Schiedsgerichtsverfahren zum Schutz von Investoren bleiben, wie vorgesehen, von der vorläufigen Anwendung von Ceta ab Jänner 2017 ausgenommen, kommen erst nach Zustimmung der nationalen Parlamente. Am 18. Oktober soll ein EU-Sonderhandelsministerrat Ceta beschließen.

Mitterlehner sieht Bedenken ausgeräumt

Vizekanzler Reinhold Mitterlehner sieht nach Bratislava alle österreichischen Forderungen erfüllt und die Bedenken ausgeräumt. Er erhöht den Druck auf die SPÖ und Bundeskanzler Christian Kern: "Ich sehe nichts mehr offen, keine offenen Punkte mehr und erwarte mir vom Kanzler jetzt rasche Zustimmung", sagte er im Gespräch mit dem STANDARD. "Aus österreichischer Sicht ist das zu unterschreiben."

Es gebe keinen Grund, die Sache noch bis Mitte Oktober hinauszuzögern, "jeder Tag kostet uns internationales Ansehen, ich werde ständig darauf angesprochen", sagte der Minister. Er bestätigte, dass die Zahl der Länder mit Einwänden im Kreis der EU-Minister in Bratislava sehr klein geworden sei, und "ich gehe von der Zustimmung aller aus". Es wäre "schlecht, wenn wir als einziges Land übrigbleiben würden", so Mitterlehner in Bratislava.

"Goldene Brücke"

Es sei "nichts Negatives, wenn die SPÖ Fragen gehabt" habe, fuhr er fort, "aber irgendwann ist der Punkt erreicht, wo man entscheiden muss, wenn wir nicht internationalen Schaden erleiden wollen". Von der SPÖ erwartet er daher, dass sie die "goldene Brücke", die die Kanadier gebaut hätten, auch überquerten, so wie der deutsche Wirtschaftsminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel. Dieser nannte Ceta "ein Modell für künftige Handelsabkommen, ein Vorbild für die Welt". Europa habe da etwas geschafft, "der Vertrag stellt den Menschen in den Mittelpunkt", so Gabriel.

Sonder-Gipfel im Oktober

Die EU-Handelsminister sind sich prinzipiell darüber einig, dass Ceta wie geplant beim EU-Kanada-Gipfel Ende Oktober auf den Weg gebracht werden soll. Ob der Vertrag eine Woche davor auf Ebene der EU-Außenminister definitiv beschlossen wird oder ob das die Handelsminister bei einem Sondertermin tun, war zunächst nicht sicher: Der deutsche Wirtschaftsminister Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) hat dies beim informellen EU-Rat in Bratislava am Freitag jedenfalls ausdrücklich gewünscht, so wie auch Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) für Österreich. Termin: der 18. Oktober in Luxemburg.

Um Bedenken einiger Mitgliedstaaten – insbesondere seitens der Regierung in Wien und Belgiens, wo das wallonische Regionalparlament mit Veto droht – zu zerstreuen, muss die EU-Kommission zuvor noch "Zusatzerklärungen" erarbeiten. Sie sollen – "juristisch verbindlich" – die Einwände der Bevölkerung in diesen Ländern zerstreuen. Rumänien, Slowenien und Bulgarien verlangen auch noch Klarstellungen in Zusammenhang mit Visavergabe.

"Ceta ist fertig"

Dieses Szenario zeichnete sich in Bratislava ab, EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström zeigte sich nach Beratungen mit der anwesenden kanadischen Handelsministerin Chrystia Freeland überaus optimistisch. "Ceta ist fertig, wir werden den Vertrag nicht wieder aufmachen", sagte sie, es gehe darum "juristische Klarstellungen" vorzunehmen, die die Kanadier schon zugesagt hätten. Es gebe keine neuen Verhandlungen.

Mit solchen Protokollen soll zum Beispiel explizit außer Streit gestellt werden, dass europäische Standards etwa im Sozial- und Umweltbereich wie beim Arbeitsrecht nicht ausgehebelt werden, an Parlamenten vorbei. An sich ist das laut Malmström in dem fast 1600 Seiten umfassenden Dokument geregelt. Aber diese Verdeutlichung solle zusätzliche Sicherheit geben, wie Mitterlehner erklärte. Genauso soll festgehalten werden, dass durch das Abkommen die öffentliche Grundversorgung auf lokaler Ebene, von Wasser- und Abfallwirtschaft bis zu sozialem Wohnbau, oder die Pensionsvorsorge nicht durch Private unterlaufen werden kann.

Nationale Parlamente müssen zustimmen

Man hat sich auch geeinigt, was die umstrittene Einsetzung von gerichtsähnlichen Schiedsverfahren betrifft für den Fall, dass kanadische Investoren und Konzerne sich bei nachträglich geänderter Gesetzgebung in einem EU-Land diskriminiert fühlen und auf Schadenersatz klagen. Diese "privaten" Schiedsgerichte sollen erst zur Anwendung kommen, wenn auch die nationalen Parlamente Ceta beschlossen haben. Die Kommission hatte im Juli vorgeschlagen, den Handels- und Investitionspakt als "gemischtes Abkommen" zu gestalten, ihn aber ab Anfang 2017 vorläufig in Kraft zu setzen, noch bevor die nationalen Parlamente zugestimmt haben.

Rein rechtlich vertritt die Kommission den Standpunkt, dass es sich bei Ceta um ein "einfaches Abkommen" handelt. Ein solches müsste nur von Kommission, EU-Ministerrat und Europaparlament bestätigt werden, weil es laut den Gemeinschaftsverträgen in alleinige EU-Zuständigkeit fiele. Um den Staaten entgegenzukommen und Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden, hat man sich aber politisch geeinigt, bestimmte Teile von Ceta explizit an die Zustimmung nationaler Parlamente zu binden.

(Thomas Mayer, 23.9.2016)