Peter Nau, "Wiener Miniaturenbuch". € 9,30 / 120 Seiten. Verbrecher-Verlag, Berlin 2016

Foto: Viennale

Ein Buch über Film? Aha. Ein Buch über Filme? So so. Begleitempfehlungen also zu Popcorn und Nachos? Nichts könnte falscher sein bei Peter Nau. Denn der Berliner hat seit Jahren eine ganz eigene Form kultiviert, die Film-Miniatur, das essayistische Abschweifen, Träumen, Evozieren der Abschweifungen, Träume, Evokationen auf Zelluloid. Knapp, hoch konzentriert, das Pendant zu Sumi-e, der reduzierten japanischen Tuschmalerei in Schwarz-Weiß.

Im letzten Jahr ist Naus Sammlung Unter dem Regenmond erschienen, deren Drucklegung sich der Berliner Defa-Stiftung verdankte. Nun das Wiener Miniaturenbuch mit Texten aus den Jahren 2006-2014, finanziert von der Viennale und Band 4 in deren typografisch anmutiger Reihe The Useful Book. Tatsächlich könnte kein Serienname treffender sein. Und kein anderes Bändchen besser diesen Anspruch erfüllen als dieses hinreißende, schmale, skandalös preiswerte. Schon vor mehr als 30 Jahren lobte Karsten Witte, der vor 21 Jahren verstorbene Filmkritiker, dass Peter Naus liebevolles Hinblicken die Realienfülle des Films zu Momentaufnahmen bannen würde. Inzwischen hat Nau, dieser entflammbare Liebhaber des Films, seine Kunst noch höhergeschraubt.

Zauberische Sätze

Er schreibt in 51 Miniaturen über bekanntere Filme wie Hitchcocks Sabotage und Im Schatten des Zweifels, Auftakt- und Schlussstück des subtil komponierten Buches, Chaplins Monsieur Verdoux, Wienes Das Cabinet des Dr. Caligari. Über Halbbekanntes wie Bressons Tagebuch eines Landpfarrers, Fellinis I Vitelloni, Rohmers Im Zeichen des Löwen. Aber auch über Verschollenes, Minderbewertetes wie Raoul Walshs Band of Angels (1957, mit Clark Gable und Yvonne de Carlo) und Arnold Lavens B-Film noir Down Three Dark Streets, Viscontis La caduta degli dei, Federico Fellinis Il Bidone oder Jacques Tourneurs Berlin Express. Österreich ist mit Karl Markovics Atmen und Sonne halt! von Ferry Radax, mit Astrid Ofners Sag es mir Dienstag und Harald Friedls Aus der Zeit vertreten. Zauberische Sätze, Bemerkungen, Formulierungen finden sich zuhauf hier. Nau über Henry Kings Carousel (1956), eine freie Bearbeitung von Molnárs Liliom: Der Film gleite immer wieder ab in die leise Hollywood-Ironie des Legendenspiels. Quei loro incontri (2012) von Danièlle Huillet und Jean-Marie Straub: ist seine eigene Mauer, um sich von der wirklichen Welt abzuschirmen. Das Ende von Aki Kaurismäkis Lights in the Dark – eine ruhevolle Schwebe der Kräfte. Und was macht Nau während John Cooks Langsamem Sommer (Österreich 1974-76)? "In sekundenlangen Pausen hielt ich die Augen geschlossen, um die Melodien dieses Sommertages auf dem Lande zu hören. – Alles währt nur kurz, auch dieser langsame Sommer, es kommt nur einmal und geht und kommt dann nie wieder." (Alexander Kluy, Album, 24.9.2016)