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Propagandaposter in Tibet: Chinas Präsident Xi Jinping (unten) setzt auf Kontinuität zu Mao Tse-tung (oben), Jiang Zemin (links), Deng Xiaoping (rechts oben). Vorgänger Hu Jintao (rechts unten) soll nun persönlich helfen.

Foto: AP / Arritz Parra

Um besondere Botschaften abzusetzen, nutzt Chinas Führung selbst im Internetzeitalter bevorzugt noch traditionelle Parteizeitungen. Nachrichten, die die ganze linke Spalte der Titelseite des KP-Organs "Renmin Ribao" ("Volkszeitung") füllen, sind wichtig. Noch wichtiger sind sie, wenn sie von allen vier im Namen der Partei sprechenden nationalen Zeitungen in gleicher Aufmachung gedruckt werden: Neben der "Volkszeitung" sind das die Armee-, die Wirtschafts- und die "Guangming"-Zeitung für die Intelligenzija.

Diese Woche veröffentlichten diese vier Blätter eine gleichlautende Laudatio mit angehängtem Leitartikel. Sie priesen nicht den jetzigen Staats-, Partei- und Armeechef Xi Jinping, der seit seinem Amtsantritt Ende 2012 einen gigantischen Personenkult um sich entfacht hat. Überschwänglich gelobt wurde stattdessen sein fast in Vergessenheit geratener Vorgänger, Hu Jintao.

Den Marxismus chinesisch adaptiert

Peking feierte die Herausgabe von Hus "Ausgewählten Werken" mit 242 Reden und Schriften, die der heute 73-jährige Pensionist zwischen Juni 1988 und November 2012 verfasst hatte. Sie seien "eine große Sache für das politische Leben von Partei und Staat mit wichtiger aktueller und historischer Bedeutung". Hu habe den Marxismus chinesisch adaptiert und sei der "Schöpfer einer neuen Theorie zur wissenschaftlichen Entwicklung" des Sozialismus.

Die Lobeshymnen sind kein Affront gegen Xi. Im Gegenteil – denn die marxistische Weihe für seinen Vorgänger, der damit einen Platz im Olymp der Klassiker Chinas erhalten hat, stärkt dem heutigen Parteichef den Rücken. Vorgänger Hu hat seine Werke selbst ausgewählt und bearbeitet. Aber der Beschluss ihrer Herausgabe wurde unter Leitung von "Generalsekretär Xi" gefasst, steht im Kommentar. Partei und Volk werden aufgefordert, sich "um Xi und die von ihm geführte KP-Zentrale eng und solidarisch zusammenzuschließen".

Mit harter Hand und Ideologie

Xi lässt nach außen den neuen Zusammenhalt zwischen der alten und seiner neuen Führung demonstrieren, einen Monat vor einem der Parteidisziplin gewidmeten ZK-Plenum. Er will dort die mit 88 Millionen Mitgliedern größte KP der Welt wieder "ideologisch in Reih und Glied bringen," neue Standards setzen, die Partei schlagkräftiger machen und ihre Mitglieder zur "absoluten Loyalität" verpflichten.

Zugleich ordnet er eine radikale Umstrukturierung in der Armee an, lässt die Erziehung reideologisieren und verstärkt seine Antikorruptionskampagne. Seit Januar wurden 23 hohe Funktionäre auf Provinzführer-Ebene unter Korruptionsverdacht festgenommen, zuletzt Parteichef Huang Xingguo aus der Industriemetrople Tianjin. Gerade wurden 45 Abgeordnete auf einen Schlag aus dem Volkskongress geworfen, weil sie sich ihre Nominierung erkauft hatten.

Gleichschaltung des Denkens

Nach außen scheint Chinas starker Mann unumstritten. Doch da gab es im März im Internet einen ominösen Brief mit angeblichen Forderungen aus der Partei nach seinem Rücktritt. Da sei nichts dran, entgegnete ein nervöses Peking, jagte aber zugleich nach den Verfassern. Verfechter innerparteilicher Demokratie (keine außerparteilichen Dissidenten) werden durch Hinauswurf zum Schweigen gebracht, wie es der kompletten Redaktion des seit 25 Jahren bestehenden Reformmagazins "Yanhuang Chunqiu" widerfahren ist.

Und es gibt immer mehr Intellektuelle, die sich hinter vorgehaltener Hand darüber empören, wie Xi seit Anfang des Jahres in Reden vor der Parteischule, vor Journalisten und Sozialwissenschaftern nach einer Gleichschaltung des Denkens ruft. Alle Institutionen, so sagt Xi, die in ihrem Namen das Wort "Partei" führen, müssten auch immer im Namen der Partei sprechen.

Keine Zimperlichkeiten

Mit der Würdigung des Vorgängers Hu setzt die KP-Führung nun ein Signal ihrer Geschlossenheit. Von Hus Seite wurde keine Reaktion bekannt, als sein einst engster politischer Sekretär Ling Jihua Opfer der Xi'schen Antikorruptionskampagne wurde. Im Juli wurde Ling wegen Korruption und Bestechung zu lebenslanger Haft verurteilt. Von Hu, der seine Karriere und seinen Aufstieg dem Kommunistischen Jugendverband verdankte, ist auch kein Einspruch bekannt, als Xi sich daranmachte, die Jugendliga mit ihren ebenfalls fast 88 Millionen Mitgliedern zu reorganisieren und durchforsten zu lassen. Xi entschärfte ihre Rolle als politische Machtbasis für potenzielle Gegner.

Das kommende ZK-Plenum ist für Xi auch eine Vorbereitung für das große Sesselrücken zum 19. Parteitag Ende 2017. Zimperlich wolle er das nicht angehen, verriet Xi schon jetzt in seiner Festrede zum 95. Gründungsfeiertag der Partei am 1. Juli. Er kündigte eine härtere Gangart für seine Kampagnen gegen Korruption und zur Parteisäuberung an. Er wolle bei der ideologischen Ausrichtung der Partei ganz oben beginnen. "Wir werden auch beim Ständigen Ausschuss, beim Politbüro und Zentralkomitee zugreifen." (Johnny Erling aus Peking, 24.9.2016)