Berührungsängste haben im Allygator Shuttle nichts zu suchen.

Foto: door2door/Andreas Pein

Wien – Sie kommen mit blauen Fähnchen daher, als Siebensitzer und in Schwarz. Laut eigenen Angaben so "günstig wie ein Bus und bequem wie eine Limousine". Sie, das ist die Flotte des Shuttlebus-Diensts Allygator, der seit Anfang August in Berlin in einer Pilotphase unterwegs ist. Vorerst kommen die zehn Kleinbusse nur freitags und samstags zwischen 18 Uhr und zwei Uhr morgens zum Einsatz, was ihnen mittlerweile den Beinamen "Disco-Bus" eingebracht hat.

Bestellt wird mittels App. Passagiere, die eine ähnliche Route haben, teilen sich das Gefährt. Kleinere Schlenker gibt es, größere Umwege nicht. Ein Algorithmus berechnet den idealen Weg, der alle Mitfahrer schnell zu ihren Zielen bringt. Der Kampfpreis pro zurückgelegten Kilometer beträgt zehn Cent. Das Start-up hat also auf den ersten Blick gehörig Potenzial, sich Feinde unter den Mitbewerbern zu machen.

Dennoch: Man sei nicht darauf aus, traditionelle Taxis oder andere Fahrdienste zu fressen. "Wir sind kein neues Angebot, das den bestehenden Nahverkehr kannibalisiert. Wir wollen uns als Ergänzung in ein öffentliches Netz einbetten", so Tom Kirschbaum, der gemeinsam mit Maxim Nohroudi im Jahr 2012 das Start-up Door2Door gegründet hat, zum Standard. Seitdem wurde die Plattform Ally entwickelt. Ally ist so etwas wie eine Art Crowdsourcing, mit ihr werden die Mobilitätsbedürfnisse in einer Stadt erhoben. Genau dort, wo beispielsweise trotz öffentlichen Verkehrs oder Fahrdiensten wie Car-Sharing und Taxis Bedarf besteht, will Allygator ansetzen.

Individualverkehr aus der Stadt

Das hehre Ziel ist nichts Geringeres, als den Individualverkehr weitestgehend aus der Stadt zu verbannen. "Die Städte werden sich in puncto Mobilität in Zukunft neu erfinden müssen." Daten von weltweit 200 Städten wurden auf diese Weise zusammengetragen. Wien ist eine davon. Kirschbaum beruft sich dabei auf eine OECD-Studie vom Mai dieses Jahres, der zufolge in einer mittelgroßen Stadt wie Lissabon 97 Prozent des Individualverkehrs in der Stadt verzichtbar seien, wenn es nur entsprechende Alternativen gebe. Konkrete Gespräche gebe es bereits mit München, Stuttgart, Düsseldorf, Duisburg und Hamburg. Der Markteintritt außerhalb des deutschsprachigen Raums im kommenden Jahr wird gerade vorbereitet. Um welche Stadt es sich konkret handelt, will man heute noch nicht verraten.

Berlin ist derzeit der "Leuchtturm", so Kirschbaum. Door2Door stellt in diesem Fall die Fahrzeuge. Die Fahrer sind beim Unternehmen angestellt, wobei das Gehalt deutlich über dem Mindestlohn von 8,50 Euro liege. Mittelfristiges Ziel ist es jedoch, Allygator Shuttle als weltweites Franchise – auch unter anderen Namen – zu etablieren. Konkret heißt das, die Lizenz an Verkehrsbetriebe, die profitabel wirtschaften, zu verkaufen, eigene Ressourcen in Form von Daten zur Verfügung zu stellen und dann an den Einnahmen mitzuschneiden.

Zehn Cent pro Kilometer

Mit den derzeitigen zehn Cent pro gefahrenen Kilometer ist kein Geld zu machen. Das ist nicht uneigennützig, sondern soll beziehungsweise muss sogar so sein: Nur solange Allygator zum Selbstkostenpreis unterwegs ist, das Geschäft also keinen Gewinn abwirft, ist keine Genehmigung vom Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten erforderlich und benötigen die Fahrer lediglich einen Personenbeförderungsschein, keine Taxilizenz.

Nicht der Verdrängungswettbewerb, sondern ökologische Aspekte stünden im Vordergrund. Über den Testbetrieb hinaus, der in Berlin noch bis Ende des Jahres läuft, gibt es bereits deutlich weiterreichende Pläne. Bahn und Fluggesellschaften wären als Franchisepartner ebenso möglich wie städtische Verkehrsbetriebe. Das ist keine Utopie", so Kirschbaum. Vielleicht brauchen sie noch einen langen Atem, Biss haben sie schon, die Allygatoren. (ch, 23.9.2016)