Joseph Gordon-Levitt verkörpert Whistleblower Edward Snowden mit Zurückhaltung – damit er nur ja nicht zu nerdig wirkt.

Foto: Constantin

Wien – Welche Helden das Land für nötig erachtet, davon zeichneten am vergangenen Wochenende die Einspielergebnisse in den Kinos der USA ein ziemlich präzises Bild. Oliver Stones gerade gestartetes Biopic Snowden kam auf etwas mehr als acht Millionen Dollar und damit auf Platz vier der Rangliste, während der Spitzentitel Sully, obwohl bereits in der zweiten Woche, 22 Millionen Dollar erlöste.

Sully, ab Anfang Dezember auch in den österreichischen Kinos, erzählt mit Tom Hanks in der Hauptrolle die wahre Geschichte des Piloten Chelsey Sullenberger, der 2009 ein defektes Flugzeug auf dem New Yorker Hudson River notwasserte, ohne dass einer der 155 Passagiere Schaden nahm, und der sich danach in einer Untersuchung der Umstände gegen falsche Verdächtigungen wehren musste.

Deutscher Trailer von "Sully".
Warner Bros. DE

Die Heldentat von Chelsey Sullenberger ist leicht zu bemessen, verdichtet auf ein paar Minuten, in denen sich die ganze Erfahrung eines Berufslebens auszahlt (das in dieser Form mittlerweile nur noch ein Traum prekärer amerikanischer Arbeitswelten sein dürfte), und sie gewinnt an Größe, wo sich der heroische Einzelne gegen die Unterstellungen der Sesselfurzer von den Behörden behaupten muss.

Der Wagemut von Edward Snowden ist dagegen weit schwerer zu vermitteln, auch wenn er gegen ein viel mächtigeres Gegenüber um seine Reputation kämpfen muss: Der Untersuchungsbericht eines parlamentarischen Geheimdienstausschusses kam in der letzten Woche nach zwei Jahren Investigation zu dem Schluss, dass es sich bei Snowden um einen "frustrierten Angestellten" handele. In der öffentlichen Meinung gilt der einstige NSA-Mitarbeiter nicht als lutherischer Geist, der von der Überwachungsparanoia der Dienste nicht länger schweigen konnte, sondern eben auch als Verräter, der aus Geltungssucht ins Moskauer Exil gegangen sei.

Deutscher Trailer von "Snowden".
Constantin Film Österreich

Oliver Stones Film, der ohne die Unterstützung eines großen Hollywood-Studios vor allem in München entstand, hat nichts anderes als die Heroisierung von Snowden im Sinn. Wie schon Laura Poitras' Dokumentarfilm Citizenfour von 2014, der auf dem gemeinsamen Nudelkochen des im Moskauer Exil mit seiner Freundin wieder vereinten Snowden ausklang, sucht der Spielfilm nach dem "human touch". Er will weder mit zu anstrengenden Erklärungen und Visualisierungen der komplexen Überwachungstechnologien langweilen noch seinen Protagonisten dem Anschein von zu viel Eitelkeit oder Nerdismus aussetzen. Dementsprechend bleibt Joseph Gordon-Levitts Spiel zurückhaltend – wo im heroischen Fach doch der Gang zur Orgel großer Gefühle und Gesten gepflegt wird.

Ähnlichkeitsmemory

Snowden ist ein konventioneller Film, ein politischer Bildungsroman, der vom patriotischen Amerikaner zum kritischen patriotischen Amerikaner führt. Das Ausschmuggeln der kopierten Daten wird mit Understatement inszeniert, die Sympathien zwischen den Väterfiguren sind klar verteilt – Nicholas Cage spielt krustig die gute, Rhys Ifans in einer Videoschalte die ins Groteske verzerrte böse. Und am Ende des ganzen Ähnlichkeitsmemory mit wahren Ereignissen tritt Snowden selbst auf im Gespräch mit dem echten Ex-Guardian-Chefredakteur Alan Rusbridger.

Trailer in englischer Originalsprache.
Open Road Films

Ein Moment, den Verächter Eitelkeit nennen werden, durch den aber Anschluss an die existierende Debatte hergestellt werden soll. Denn Snowden ist auch eine Art filmisches Gnadengesuch, das politisch Bernie Sanders die Ehre erweist – Hillary Clinton wird in den finalen Inserts dagegen für ihre Position zum NSA-Skandal gescholten.

Die traurige Pointe für den tapferen Oliver Stone: Der Regisseur von Sully ist Clint Eastwood. Ein Mann, der sich zuletzt als Fan von Donald Trump geoutet hat. (Matthias Dell, 23.9.2016)