Momentaufnahme einer kosmologischen Simulation eines Lyman-Alpha-Blobs, der LAB-1 ähnelt. Mithilfe dieses Modells wird die Entwicklung von Gas und dunkler Materie simuliert. Auf dem farbcodierten Bild ist die Verteilung von Gas innerhalb des Halos aus Dunkler Materie zu sehen, wobei kaltes Gas (hauptsächlich neutraler Wasserstoff) rot erscheint und heißes Gas weiß.

Illustr.: J.Geach/D.Narayanan/R.Crain

Die Aufnahme zeigt eines der größten bekannten Einzelobjekte im Universum, den Lyman-Alpha Blob-LAB-1. Das Bild ist aus zwei verschiedenen Aufnahmen zusammengesetzt, die mit dem FORS-Instrument am Very Large Telescope (VLT) aufgenommen wurden.

Foto: ESO/M. Hayes

Garching – Lyman-alpha-Blobs stellten Astronomen bisher vor ein Rätsel: Die riesigen Wolken aus Gas leuchten enorm hell – aber warum das so ist, war unklar. Nun ist ein internationales Forscherteam mit dem Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) der Eso auf eine mögliche Erklärung gestoßen. Sie entdeckten im Zentrum eines dieser Objekte zwei Galaxien, in denen die Sternentstehungsrate so hoch ist, dass die Umgebung zum Leuchten gebracht wird. Die großen Galaxien wiederum befinden sich im Zentrum einer Ansammlung aus kleineren Galaxien: eine frühe Phase in der Entstehung eines massereichen Galaxienhaufens. Es ist anzunehmen, dass sich diese zwei Galaxien in ferner Zukunft zu einer einzigen riesigen elliptischen Galaxie entwickeln.

Lyman-Alpha-Blobs (LABs) sind enorme Wolken aus Wasserstoffgas, die sich über Hunderttausende von Lichtjahren erstrecken können und in großen kosmischen Distanzen zu finden sind. Der Name spiegelt die charakteristische Wellenlänge des ultravioletten Lichts wider, das sie emittieren – Lyman-Alpha-Strahlung. Seit ihrer Entdeckung zerbrechen sich Wissenschafter über jene die Prozesse die Köpfe, durch die sich LABs bilden. Die neuen Beobachtungen mit dem Radioteleskop ALMA in den nordchilenischen Anden könnten dieses Rätsel jetzt gelöst haben.

Ferne, frühe Gaswolken

Eine der größten bekannten und am genauesten untersuchten Lyman-Alpha-Blobs ist SSA22-Lyman-Alpha-Blob 1, kurz auch LAB-1 genannt. Es war im Jahr 2000 das erste Objekt dieser Art, das entdeckt wurde. Eingebettet in einen riesigen Galaxienhaufen, der sich noch in der frühen Entstehungsphase befindet, ist es so weit entfernt, dass sein Licht etwa 11,5 Milliarden Jahre gebraucht hat, um uns zu erreichen.

Einem Astronomen-Team unter der Leitung von Jim Geach vom Centre for Astrophysics Research of the University of Hertfordshire in Großbritannien ist es nun gelungen, tief in LAB-1 hineinzuschauen. Möglich war das aufgrund der einmaligen Fähigkeit des Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array, Licht aus kalten Staubwolken in weit entfernten Galaxien zu beobachten. Dank der Beobachtungen konnten die Forscher mehrere Emissions-Quellen im Submillimeter-Bereich genau lokalisieren und auflösen.

Die ALMA-Aufnahmen kombinierten sie dann mit Beobachtungen des Multi Unit Spectroscopic Explorer (MUSE), der am Very Large Telescope (VLT) der Eso angebracht ist und mithilfe dessen das Lyman-Alpha-Licht kartiert wurde. Diese Beobachtungen zeigen, dass die von ALMA beobachteten Quellen genau im Herzen des Lyman-Alpha-Blobs liegen, wo die Sternentstehungsrate dem mehr als 100-fachen der Rate der Milchstraße entspricht.

Kleine Galaxien liefern Baumaterial für Sternenfabrik

Durch die sogenannte "Deep Imaging"-Methode konnte mit dem NASA/ESA Hubble-Weltraumteleskop und mit Spektrografen am W.-M.-Keck-Observatorium zudem gezeigt werden, dass die Quellen von zahlreichen lichtschwachen Begleitgalaxien umgeben sind, die für ein beständiges Bombardement von Materie auf die zentralen Objekte sorgen, was zu hohen Sternentstehungsraten führt.

Das Team nutzte daraufhin eine ausgeklügelte Simulation zur Entstehung von Galaxien, um zu demonstrieren, dass die riesige leuchtende und Lyman-Alpha-Strahlung emittierende Wolke dadurch erklärt werden kann, dass ultraviolettes Licht, das durch Sternentstehung in den beobachteten Objekten entsteht, am umgebenden Wasserstoffgas gestreut wird. Dadurch würde ein Lyman-Alpha-Blob entstehen, so wie wir ihn sehen.

Jim Geach, der Erstautor der im "Astrophysical Journal" veröffentlichten Studie, erklärt: "Der Effekt ist vergleichbar mit Straßenlicht in einer nebligen Nacht — man sieht ein diffuses Leuchten, weil das Licht an den winzigen Wassertröpfchen gestreut wird. Etwas Ähnliches passiert hier, nur, dass das Straßenlicht eine Galaxie mit intensiver Sternentstehung und der Nebel eine riesige Wolke aus intergalaktischem Gas darstellt. Diese Galaxien bringen ihre Umgebung zum Leuchten."

Geburtsort der größten Galaxien im Universum

Für Astronomen ist es auch heute noch eine große Herausforderung zu verstehen, wie Galaxien sich bilden und entwickeln. Sie gehen davon aus, dass Lyman-Alpha Blobs dabei eine große Rolle spielen, da es sich bei diesen Objekten um Orte zu handeln scheint, an denen die massereichsten Galaxien im Universum entstehen. Insbesondere ihr großflächiges Leuchten liefert Information darüber, was in den primordialen Gaswolken passiert, die junge Galaxien umgeben, eine Region, die nur schwer erforscht werden kann, deren Verständnis aber entscheidend ist.

Jim Geach folgert: "Aufregend an diesen Blobs ist, dass wir einen flüchtigen Blick darauf werfen können, was um diese jungen und wachsenden Galaxien passiert. Der Ursprung des Lyman-Alpha-Lichts, das sich so weit erstreckt, war lange umstritten. Mit den kombinierten neuen Beobachtungen und innovativen Simulationen gehen wir davon aus, dass wir ein 15 Jahre altes Rätsel gelöst haben: Lyman-Alpha-Blob-1 ist ein Ort, an dem eine massereiche elliptische Galaxie entsteht, die eines Tages das Herz eines riesigen Galaxienhaufens bilden wird. Wir sehen eine Momentaufnahme dessen, wie die Galaxie vor 11,5 Milliarden Jahren ausgesehen hat." (red, 25.9.2016)