Beschädigte Hilfsgüter in einer Lagerhalle in in Orum al-Kubra, westlich von Aleppo.

Foto: APA/AFP/OMAR HAJ KADOUR

18 Lastwagen wurden zerstört

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Damaskus/Washington/Moskau – Nach den Luftangriffen auf einen Hilfskonvoi nahe der belagerten syrischen Großstadt Aleppo am späten Montagabend hat die US-Regierung ihre Zusammenarbeit mit Russland in dem Bürgerkriegsland offen infrage gestellt. Direkt verantwortlich gemacht hat die US-Regierung Russland zunächst nicht, bisher hieß es: Das Ziel des Konvois aus Lastwagen der Vereinten Nationen und des Roten Halbmonds sei sowohl der syrischen wie der russischen Regierung bekannt gewesen. Das sagte der Sprecher des US-Außenministeriums John Kirby am Dienstag. Die US-Regierung werde die Bombardierung mit Moskau direkt thematisieren, kündigte Kirby an. "Angesichts der ungeheuerlichen Verletzung der Waffenruhe werden wir die weiteren Aussichten einer Zusammenarbeit mit Russland neu bewerten", fügte er hinzu.

Uno und Roter Halbmond

"Rund 20 Zivilisten und ein Mitarbeiter des Roten Halbmonds wurden getötet, als sie humanitäre Hilfsgüter von den Lastwagen luden", erklärte die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften am Dienstag in Genf. Außerdem sei ein "großer Teil der Hilfsgüter zerstört" worden. Auch das Lager des Roten Halbmonds in Orum al-Kubra sei bei dem Angriff getroffen worden. Die Lastwagen gehörten zu einem Konvoi von 31 Fahrzeugen der Uno sowie des Roten Halbmonds, die 78.000 Menschen in der Ortschaft westlich von Aleppo versorgen wollten. Der Rote Halbmond in Syrien wird vom Regime kontrolliert.

Ranghohe Vertreter der US-Regierung von Präsident Barack Obama äußerten sich am Dienstag vor Journalisten skeptisch über die Chancen, die mit Russland ausgehandelte Waffenruhe für Syrien nach dem Bombardement noch retten zu können. Die Ereignisse hätten erhebliche Zweifel aufgeworfen, ob Russland seinen Teil der Vereinbarung zur Befriedung des Landes einhalten könne. Es sei unklar, ob russische oder syrische Kampfflugzeuge für die Angriffe verantwortlich seien.

"Kriegsverbrechen"

Die Uno machte zunächst keine Angaben zu den Urhebern des Angriffs. Der UN-Sondergesandte für Syrien, Staffan de Mistura, zeigte sich schockiert. "Unsere Wut über diesen Angriff ist enorm. Der Konvoi war das Ergebnis eines langen Verhandlungsprozesses mit dem Ziel, eingeschlossenen Menschen zu helfen", erklärte eine Sprecherin de Misturas. Sollte sich der Angriff vorsätzlich gegen die Helfer gerichtet haben, "dann läuft dies auf ein Kriegsverbrechen hinaus", sagte der Chef der UN-Hilfseinsätze, Stephen O'Brien.

Das syrische Militär äußerte sich öffentlich zunächst nicht. Die staatliche Nachrichtenagentur Sana zitierte eine Quelle aus der Armee, die die Berichte über eine syrische Verantwortung als Lüge bezeichnet. Das Verteidigungsministerium in Moskau dementierte, den Angriff auf den Hilfskonvoi verursacht zu haben: "Weder die russische noch die syrische Armee hat einen Luftangriff auf den UN-Konvoi bei Aleppo geflogen", sagte Generalmajor Igor Konaschenkow am Dienstag der Agentur Interfax zufolge.

"Wir haben Videoaufzeichnungen geprüft und keine Anzeichen festgestellt, dass die Wagenkolonne von Munition – welcher Art auch immer – getroffen wurde. Zu sehen sind keine Bombentrichter, die Wagen weisen keine Schäden durch eine Druckwelle auf. Alles, was wir im Video gesehen haben, ist eine direkte Folge eines Brandes", sagte Konaschenkow.

Auch die Regierung in Moskau sieht kaum Chancen für eine rasche Erneuerung der Waffenruhe. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow machte die USA dafür verantwortlich, dass der gesamte Friedensprozess in Syrien in Gefahr sei.

Damit die Waffenruhe doch noch gerettet werden könne, müssten die Angriffe von Rebellen auf die syrische Armee aufhören, forderte er. "Und natürlich würde es nicht schaden, wenn unsere amerikanischen Kollegen nicht versehentlich Syrer bombardieren würden", sagte Peskow. Der Satz war eine Anspielung auf einen laut Washington irrtümlichen US-Luftangriff auf syrische Regimetruppen, bei dem am Wochenende dutzende Soldaten getötet wurden, die gegen den "Islamischen Staat" im Einsatz waren. Russland und Syrien schenken der US-Behauptung, es habe sich um einen Fehler gehandelt, keinen Glauben. (Reuters, dpa, red, 21.9.2016)