Generalsekretär Ban Ki-moon bei der Uno-Vollversammlung in New York. Im Hintergrund laufen Gerüchte über seine Nachfolge.

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Favorit: der Portugiese António Guterres.

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In den langen Korridoren des Uno-Hauptquartiers am New Yorker East River kennt der Flurfunk der Diplomaten abseits der Generalversammlung vor allem ein Thema: Wer wird Nachfolger von Generalsekretär Ban Ki-moon?

Viele geben verschwörerisch lächelnd zur Antwort: António Guterres, der frühere portugiesische Regierungschef und Uno-Flüchtlingshochkommissar. Er habe in den bisherigen Hearings stets überzeugt und sei bestens vorbereitet gewesen. Aus seiner Zeit beim Flüchtlingshochkommissariat UNHCR haftet ihm auch der Nimbus an, ein guter Krisenmanager zu sein – und einer, der Dinge beim Namen nennt.

Damit würde er sich augenfällig vom Koreaner Ban Ki-moon unterscheiden, dessen zwei Amtszeiten als so farblos galten, dass Journalisten schon bald darüber zu witzeln begannen, ob Ban auf dramatische Wendungen in der Weltpolitik per Aussendung bloß "mit Sorge" reagieren würde – oder doch mit "großer" oder sogar mit "sehr großer Sorge".

Doch andere Gesprächspartner warnen: Guterres wäre wohl falsch beraten, sich schon jetzt als Sieger zu wähnen. Sicher, einige Kandidaturen, wie jene der vormaligen kroatischen Außenministerin Vesna Pusic, seien nicht ernst zu nehmen gewesen, sagt ein Diplomat. Sie habe sich auch bald selbst aus dem Rennen genommen, als sie bei einer Probeabstimmung im Sicherheitsrat nur zwei Stimmen bekommen hatte. Vielleicht verfolge sie ohnehin ein anderes Ziel und habe bloß ihr Profil bei der Uno schärfen wollen, so die Einschätzung.

Gute Chancen werden hingegen einer Frau eingeräumt, die aber – zumindest nach aktuellem Stand – gar nicht kandidiert: die Vizepräsidentin der EU-Kommission aus Bulgarien, Kristalina Georgiewa. Sie würde etliche gute Wahlargumente auf sich vereinen: Sie kommt aus einem vergleichsweise kleinen Land – und ein solches soll dieses Mal den Zuschlag erhalten. Sie kommt aus Osteuropa – das wäre eine interessante Premiere. Und sie ist eine Frau – das wäre, womöglich fast gleichzeitig mit der Wahl Hillary Clintons zur US-Präsidentin, eine Sensation, ein Paradigmenwechsel.

Berlin pusht, Moskau blockt

Georgiewa, so hört man, sei auch von der deutschen Kanzlerin Angela Merkel favorisiert worden – doch als Sofia davon Wind bekam, reagierte es verschnupft: Mit Unesco-Generalsekretärin Irina Bokowa verfüge man bereits über eine hochqualifizierte – allerdings chancenlose – Kandidatin. Georgiewa wird also gar nicht kandidieren dürfen – es sei denn, Bulgarien bekomme die Gewissheit, dass sie Generalsekretärin wird.

Russland, so weiß ein Diplomat zu erzählen, habe man auf Merkels Bemühungen für Georgiewa belustigt reagiert: ein Kandidat aus Osteuropa? Ja, warum nicht! Aber eine Frau? Nein, muss wirklich nicht sein.

Also kann Guterres vielleicht doch damit rechnen, mit 67 Jahren den ultimativen Karriereschritt zu schaffen. Noch sind mehrere Abstimmungsrunden vorgesehen. Im Oktober soll dann der Sicherheitsrat der Uno-Vollversammlung einen Vorschlag machen – sprich: die Entscheidung abnicken, damit die Personalie per 1. Jänner perfekt ist. Aber vielleicht wird es jemand ganz anderer: etwa der Slowake Miroslav Lajcák. Der parteilose Außenminister gilt für viele, dem Vernehmen nach auch für die Russen, als akzeptabler Kandidat. (Gianluca Wallisch aus New York, 21.9.2016)