Nein zur Austeritätspolitik auf einem Transparent einer Demonstration in Frankreich Anfang des Jahres.

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Die europäische wirtschaftspolitische Debatte hat auch die Innenpolitik erreicht. Während von IWF bis EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ein sehr zartes Umdenken stattfindet, springen Finanzminister Hans Jörg Schelling und Co noch immer für die Austeritätspolitik in die Bresche.

Die Fakten sprechen eine ganz eindeutige Sprache: Die Austeritätspolitik ist ökonomisch gescheitert. Weder sind die Staatsschulden deutlich gesunken, noch ist das Wachstum wirklich gestiegen. Im Gegenteil: Der Einsatz der Kürzungspolitik zur Krisenbekämpfung hat katastrophale Folgen: Während 2008 noch jede fünfte Person in Europa von Armut bedroht war, war es 2013 schon jede vierte, das sind mehr als 120 Millionen Menschen. Migranten und meist weibliche Alleinerziehende sind vom Anstieg am stärksten betroffen. Dieser wachsenden Armut steht rasant wachsender Reichtum gegenüber, die Zahl der Milliardäre und Millionäre ist gestiegen, und auch die Einkommensungleichheit ist gewachsen. Die Schere der Ungleichheit geht innerhalb Europas immer weiter auf, und das gefährdet den sozialen und politischen Zusammenhalt.

Negative Folgen

Die weitreichenden Folgen der Austeritätspolitik sind auf allen politischen Ebenen in der Politik spürbar. Hetze gegen Menschen auf der Flucht oder gegen die EU als Ganzes nehmen stark zu, mit dem Brexit wurde ein neues Ausmaß erreicht. Hoffnungslosigkeit und Zukunftsängste der Menschen bereiten den Boden für diesen Entsolidarisierungsprozess, der auch in Österreich an politischer Unterstützung gewonnen hat. Die Frustration der Menschen kann aber auch in neue Hoffnung umgewandelt werden, die progressive Politik ermöglicht. Dazu müssen Alternativen zur Austeritätspolitik aufgezeigt werden, um die Unterstützung für ein soziales Europa zu stärken.

Schelling hält in seiner Argumentation an der Weiterführung des bisher von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) verordneten Sparkurses in Europa fest. Er will weniger Staatsausgaben und so die Verschuldung der Staaten senken. Von diesen Maßnahmen erhofft er sich mehr Wachstum und Beschäftigung. Damit ist die konsequente Weiterführung der Regelsysteme von Fiskalpakt und Maastricht sowie der daraus abgeleiteten Reformen, die den vermeintlichen Krisenländern als Gegenleistung für Hilfskredite vorgeschrieben wurden, gemeint.

Wunder Punkt

Bundeskanzler Christian Kern hat mit seinem kürzlich in der "FAZ" veröffentlichten Kommentar, in dem die Sinnhaftigkeit dieser Politik infrage gestellt wird, scheinbar einen Nerv getroffen. Denn die Reaktionen etwa von Schelling fielen deutlich aus: Man versucht Kern und sein Umfeld in der Öffentlichkeit als ideologische Hardliner zu diffamieren. Doch dabei sind gerade sie es, die die Fakten ignorieren und dogmatisch an ihrer Weltsicht festhalten. Sie selbst kokettieren gern mit dem Bild von ausgefuchsten Fachleuten, die für unangenehme, aber notwendige Maßnahmen eintreten. Doch zum einen bleiben sie der Öffentlichkeit die überwältigenden Beweise für das Funktionieren der Austerität schuldig, und zum anderen rudern viele bisherige Akteure dieser Politik bereits wieder zurück.

Vom IWF bis hin zu Juncker wird ein öffentliches Umdenken zelebriert. Wenn sich bisherige Akteure des Neoliberalismus jetzt von ihrer Denke abwenden, so ist das zwar noch keine Perestroika, aber die neoliberale Revolution der 70er- und 80er-Jahre entlässt doch langsam ihre Kinder. (Georg Hubmann, Klaus Baumgartner, 20.9.2016)