Die neue Reanimationstherapie soll in den nächsten Jahren optimiert und miniaturisiert werden, um auch außerhalb von Spitälern verfügbar zu sein.

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Nur jeder fünfte Patient, der im Krankenhaus nach einem Herzstillstand wiederbelebt wird, überlebt langfristig, außerhalb des Krankenhauses ist es nicht einmal jeder Dreißigste. Ein entscheidender Grund dafür ist erst seit wenigen Jahren bekannt und klingt paradox: Wird Gewebe nach Sauerstoffmangel dank einer Reanimation plötzlich wieder mit Sauerstoff versorgt, bilden sich giftige Moleküle, die das Gewebe zerstören und beim Patienten zum Tod oder einer schweren Hirnschädigung führen können.

Ein neues Behandlungskonzept soll nun derartige Reperfusionsschäden vermindern. Das Projekt wurde an der Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie des Universitäts-Herzzentrums Freiburg, Bad Krozingen (UHZ) entwickelt und wird von der EU mit 2,3 Millionen Euro gefördert. Die Ziele sind die möglichst schnelle Wiederherstellung einer effizienten Blutzirkulation, die Steuerung wichtiger Blutwerte wie pH-Wert und Sauerstoff-Konzentration, und die Kontrolle physikalischer Kreislauf-Eigenschaften wie Druck, Fluss und Temperatur.

Technische Voraussetzung der Behandlung ist ein neu entwickeltes Kreislauf-Unterstützungssystem, das sofort eine umfangreiche Therapie des durch den Herzstillstand geschädigten Körpers ermöglicht. Die Methode kann nicht nur die Überlebenschancen erhöhen, sondern auch die Schädigung des Gehirns deutlich vermindern. Nun soll das System zum Einsatz in Notfall-Fahrzeugen miniaturisiert und zur Marktreife gebracht werden.

Wendepunkt in der Wiederbelebung

Friedhelm Beyersdorf, Ärztlicher Direktor der Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie des UHZ, erforscht seit 30 Jahren verschiedene Aspekte von Sauerstoffmangel und Wiederdurchblutung: "Das neue Konzept könnte ein Wendepunkt in der klinischen Wiederbelebung sein. Denn damit können wir erstmals gezielt Reperfusionsschäden vermindern. Die Überlebenschancen steigen dadurch deutlich und Organschäden, insbesondere des Gehirns, werden reduziert."

Das Gesamtkonzept nennt sich kontrollierte, automatisierte Ganzkörper-Reperfusion (Controlled, Automated Reperfusion of the whoLe body, CARL), das neu entwickelte Kreislauf-Unterstützungssystem heißt CIRD (Controlled Integrated Resuscitation Device). Es ist im Bereich der extrakorporalen Zirkulation ein ganz neuer Ansatz, da es nicht nur die Blutzirkulation wiederherstellt, sondern erstmals eine Behandlung der durch den Herzstillstand geschädigten Organe des Körpers ermöglicht.

Zwei Stunden Reanimation

CIRD wird an die Leistengefäße des Patienten angeschlossen und stellt mittels Pumpen den Kreislauf des Patienten wieder her. Gleichzeitig wird das aus der Vene des Patienten entnommene Blut verändert und auf die neue Situation nach dem Herzstillstand angepasst. So können bis zu zehn Blutparameter verändert sowie eine Reihe physikalischer Eigenschaften modifiziert werden. Auch Medikamente können über CIRD verabreicht werden.

Seit Ende 2014 konnte bei zehn Patienten am Herzzentrum Freiburg das komplette CARL-Behandlungsprinzip durchgeführt werden. Sechs von ihnen überlebten die Wiederbelebungsmaßnahmen und hatten keine oder nur geringe neurologische Schäden. Eine 44-jährige Patientin überlebte sogar, obwohl ihr Herz nach einem Herzstillstand erst nach 120-minütiger Reanimation und nachfolgender CARL-Behandlung wieder zu schlagen begann. In tierexperimentellen Studien hatten über 80 Prozent der Tiere sogar nach einem 20-minütigen, kompletten Herzstillstand ohne langfristige Hirnschäden überlebt. (red, 20.9.2016)