Miriam Meckel bei den Medientagen in Wien.

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Chatbots und Filterbubble, Hasspostings und Lügenpresse: Das Medienbusiness ist ein "verzerrter Markt der Meinungen und Ideen" geworden. Diese durchaus ernüchternde Diagnose kam am Dienstag zum Auftakt der heurigen Österreichischen Medientage von "WirtschaftsWoche"-Chefredakteurin MiriamMeckel. Ihr Rezept: "Wir müssen uns mit diesen Dingen auseinandersetzen, auch, wenn sie uns nicht schmecken."

"Instant-Ideologie"

Statt des lange angenommen "freien Marktplatzes der Ideen" greife in der Realität die "Instant-Ideologie" um sich, analysierte Meckel die Folgen des Medienwandels für Journalismus und Gesellschaft. Die technischen Möglichkeiten treiben eine "Verhärtung der Positionen" voran.

Wobei man sich nicht einmal sicher sein könne, dass die Meinungsmache im Netz von Menschen komme, verwies sie auf die Gefahr des "Demokratie-Hackings" durch Fake Followers und Bots. "Algorithmen operieren immer nach dem Kriterium der Masse", doch ein solches Massenprinzip sei "eigentlich nicht kompatibel" mit einem demokratischen System, das auf die Vielfalt der Meinungen setze.

User in "Schützengräben"

Phänomene wie "Bestätigungsverzerrungen" und das Zurückziehen der User in ihre "Echokammern" in sozialen Netzwerken – wo sie nur mehr ihnen Genehmes wahrnehmen – führe zu "einem relativ kurzsichtigen Blick auf das Leben um uns herum". Die User zögen sich in einen "Schützengraben" zurück, in dem jedes Gegenargument abgewehrt werde. "Das ist tödlich für eine demokratische Auseinandersetzung."

Journalisten und Medien müssten sich dieser Mechanismen bewusst werden und vor allem Verständnis für die Prozesse und Möglichkeiten der digitalen Meinungsmache aufbauen, riet Meckel der versammelten österreichischen Branche: "Wir müssen besser verstehen, wie die technischen Mechanismen von Meinungsproduktion im Internet verlaufen."

"Unwillen zur Empathie und zum Perspektivenwechsel"

Zugleich dürfe man nicht warten, "bis populistische Bewegungen wieder verschwinden". Die Redaktionen täten gut daran, "immer wieder den eigenen Blick zu hinterfragen". Denn Meckel ortet bei den etablierten Medien auch den "Unwillen zur Empathie und zum Perspektivenwechsel".

Es sei eine Falschannahme zu glauben, dass alle Menschen Medien als unverzichtbar für die Gesellschaft betrachten: "Jeder, der sich als selbstverständlich betrachtet, wird faul und innovationsmüde", so Meckels Warnung. Und auch der "schlimme Vorwurf" der "Lügenpresse" dürfe nicht einfach ignoriert werden: "Wir müssen uns damit auseinandersetzen – sonst machen wir uns angreifbar." (APA, 20.9.2016)