Wien – Ein Gerichtssachverständiger ist am Montag im Wiener Straflandesgericht wegen Bestechlichkeit verurteilt worden. Richterin Claudia Moravec-Loidolt zeigte sich nach einem umfangreichen Beweisverfahren überzeugt, dass der Schifffahrt-Experte in einem Zivilverfahren einer Streitpartei gegen entsprechende Bezahlung ein inhaltlich unrichtiges Gutachten in Aussicht gestellt hatte.

Der Angeklagte habe "ganz eindeutig eine Grenze überschritten", der Konnex zwischen seiner finanziellen Forderung und der erklärten Bereitschaft, dafür eine falsche Expertise abzugeben, sei "eindeutig gegeben", stellte die Richterin in der Urteilsbegründung fest. Der Gutachter, der viele Jahre als Sachverständiger für Schifffahrtswesen für die Justiz tätig war, wurde bei einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu einem Jahr Haft verurteilt. Die Strafe wurde ihm unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig, Verteidiger Ernst Schillhammer erbat Bedenkzeit. Der Staatsanwalt gab vorerst keine Erklärung ab.

Segeljacht in Kroatien

Ausgangspunkt war ein am Wiener Handelsgericht anhängiger Rechtsstreit um eine in Kroatien vor Anker liegende Segeljacht, die bei einem orkanartigen Sturm gegen eine Kaimauer geschleudert und beschädigt wurde. Der Bootseigentümer hatte seine Versicherung geklagt, weil diese nicht für den Schaden aufkommen wollte. Diese ging nämlich davon aus, dass die Jacht im Hafen nicht sorgfältig vertaut worden war und sich deswegen im Sturm selbstständig machen konnte.

Nachdem der beigezogene Sachverständige im Gerichtsauftrag einen Lokalaugenschein durchgeführt und die Beweissicherung vorgenommen hatte, wandte er sich ohne Wissen des zuständigen Richters telefonisch an die Rechtsvertreter beider Streitparteien und ersuchte jeweils um ein vertrauliches Treffen. Während der Anwalt des Jachtbesitzers den Gutachter abblitzen ließ, ging der Vertreter der Versicherung auf den Terminwunsch ein.

Peanuts

Der Schifffahrt-Experte und der Anwalt trafen sich Anfang Jänner 2016 bei Weißwurst und Schnaps in Bad Reichenhall. Wie der Anwalt später darlegte, soll der Gutachter ihm gleich eingangs des Gesprächs eröffnet haben, dass er den Prozess verlieren werde. Er könne ihm allerdings vor dem nächsten Verhandlungstermin sieben Fragen zukommen lassen, die der Anwalt im Gerichtssaal "mit aller Härte und Nachdruck" vorbringen müsse, um doch noch zu obsiegen.

"Die Fragen hätten bewirken sollen, dass der Sachverständige sein Gutachten so ausfallen lässt, dass wir die Sache gewinnen", gab der Anwalt zu Protokoll, nachdem er den Gutachter angezeigt hatte. Dieser habe klipp und klar gesagt, dass er sich "mit Peanuts wie 10.000 Euro" nicht abspeisen lasse.

15.000 Euro auch zu wenig

Der Anwalt war nach der Unterredung unverzüglich zur Polizei gegangen, die dem Juristen empfahl, allfällige weitere Gespräche mit dem Sachverständigen aufzuzeichnen, sollte sich dieser wieder telefonisch melden. Tatsächlich rief der Gutachter noch zwei Mal in der Kanzlei des Anwalts an, wobei er beim letzten Gespräch am 5. Februar meinte, die Zeit "dränge schön langsam. Wir müssen Nägel mit Köpfen machen".

Die Mitschnitte wurden nun im Grauen Haus abgespielt. Darauf ist zu hören, wie der Sachverständige die finanziellen Forderungen weiter konkretisierte. Ein Kuvert müsse vor der Verhandlung am Tisch liegen, gab er dem Anwalt zu verstehen. Auf dessen Frage, ob 15.000 Euro reichen, entgegnete der Gutachter: "Da müssen Sie schon mehr drauflegen."

Verurteilter sieht sich als Boten

Der Angeklagte und sein Rechtsvertreter hatten bis zuletzt auf "nicht schuldig" plädiert. "Er hat eine Dummheit begangen, aber kein Verbrechen", argumentierte Verteidiger Schillhammer. Der Gutachter hatte behauptet, an ihn seien nach der Beweisaufnahme in Kroatien und später bei einem privaten Urlaub im slowenischen Portoroz ihm unbekannte Männer herangetreten. Diese hätten ihm erklärt, er habe hinsichtlich der zerschellten Jacht bei der Spurensuche etwas übersehen. Für weitere Informationen hätten die angeblich teilweise mit Badeshorts bekleideten Männer 20.000 Euro verlangt.

Über diese Entwicklungen habe er die Streitparteien informieren wollen und sich deshalb mit dem Versicherungsvertreter getroffen, so der Angeklagte bei Verhandlungsauftakt Anfang August: "Ich habe die Forderung als Bote weitergegeben." Und weiter: "Ich hätte lediglich den Kontakt hergestellt und hätte keinen Cent angegriffen. Ich bin nicht der berittene Bote mit Geld, oh nein!"

Dieser Darstellung schenkte die Richterin am Ende keinen Glauben: "Die Beweisergebnisse lassen keine andere Deutung zu, dass Sie einen Vorteil für ein unrichtiges Gutachten verlangt haben." Schon vor der Urteilsverkündung war der Angeklagte im Zivilverfahren als Sachverständiger abberufen und durch einen anderen Experten ersetzt worden, an dessen Objektivität und Unabhängigkeit keine Zweifel bestehen. (APA, 19.9.2016)