Knappe zehn Minuten dauert die Rede im UN-Sicherheitsrat, die Nadia Murad Basee Taha berühmt gemacht hat. Die junge Irakerin mit den langen schwarzen Haaren und den müden Augen trägt sie mit ruhiger Stimme vor, und erst als sie fertig ist und kurz die Augen schließt, sieht man, wie viel Kraft sie die letzten zehn Minuten gekostet haben müssen. Das war im Dezember 2015. Inzwischen ist die 23-Jährige für den Friedensnobelpreis nominiert, und seit vergangener Woche ist sie UN-Sonderbotschafterin für die Würde der Opfer von Menschenhandel.

Im August 2014 eroberte die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) ihr Heimatdorf Kocho nahe der Stadt Sindschar, die vorrangig von Angehörigen der religiösen Minderheit der Jesiden bewohnt wird. Nahezu die gesamte männliche Bevölkerung wurde bei der Erstürmung umgebracht, darunter auch Murads Brüder. Auch ihre Mutter starb an dem Tag, während die Terroristen Murad zusammen mit hunderten jungen Frauen und Kindern in die IS-Hochburg Mossul verschleppten.

Sonderprogramm für Jesidinnen

Dort wurde Murad mehrmals weiterverkauft, vergewaltigt und geschlagen. Nach drei Monaten gelang ihr die Flucht. Eine Familie schleuste sie mit einer Burka getarnt ins kurdische Grenzgebiet, sie landete zuerst in einem Flüchtlingslager und dann, im März 2015 – über ein Programm zur Aufnahme von Jesiden in Deutschland –, in Stuttgart.

Von dort aus engagierte sich die Irakerin zunächst in Deutschland und anschließend – gemeinsam mit der weltweiten jesidischen Organisation Yazda – auch auf internationaler Bühne für die Freilassung der rund 3200 weiteren jesidischen Frauen und Mädchen, die weiterhin als Sexsklavinnen vom IS festgehalten werden. Der baden-württembergische grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der das Sonderprogramm für missbrauchte Frauen und Kinder aus dem Nordirak gestartet hat, machte Murad mit der prominenten Anwältin Amal Clooney bekannt. Diese wirbt bereits länger um internationale Aufmerksamkeit für die Verbrechen gegen Jesidinnen und unterstützt Murad seither.

"Der Tod ist harmlos im Vergleich zu der Hölle, durch die wir alle gehen mussten", sagt Murad. Sie verlangt, die Täter vor Gericht zu stellen und deren Verbrechen als Völkermord einzustufen. In ihrer neuen Rolle setzt sie sich dafür auch bei der diese Woche stattfindenden UN-Vollversammlung in New York ein. (Anna Giulia Fink, 18.9.2016)