Neben dem Außenminister ist der Bundespräsident der wichtigste, wenn nicht bestimmende Außenpolitiker der Republik. Hier ist Norbert Hofer, der Kandidat der FPÖ, viel klarer und geradliniger als in anderen Fragen. Er tritt für den Fortbestand der Neutralität ein, mit vehementer Betonung der Nähe zu Russland.

Die Definition der Neutralität war so lange eindeutig, als es im Kalten Krieg die beiden Blöcke gab: die Nato auf der westlichen und den Warschauer Pakt auf der östlichen Seite. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde die Luft für die Neutralität immer dünner. Wolfgang Schüssel und seine Außenministerin Benita Ferrero-Waldner wollten während der schwarz-blauen Koalition – unbeeinsprucht von Jörg Haider – sogar der Nato beitreten. Nur: Die wollte Österreich nicht aufnehmen.

Ende der Bemühungen. Die Neutralität schleppte sich weiter und gewann während des Ukraine-Kriegs und der darauffolgenden Ost-West-Spannungen wieder an Gewicht. Österreichs Wirtschaft gehörte in der EU zu den heftigsten Kritikern der Sanktionen wegen der Krim-Annexion durch Wladimir Putin, den Herzibinki der Alpinschickeria.

Zuvor schon, als Heinz-Christian Strache seine ersten Wahlerfolge feierte, reisten er und Exponenten der FPÖ, wie der Wiener Klubobmann Johann Gudenus, wiederholt nach Moskau. Im Juni 2016 war er sogar auf der Krim. Im Anschluss daran sprach Gudenus, der in einer FPÖ-ÖVP-Regierung Außen- oder Verteidigungsminister werden könnte, von einer "Geiselhaft der EU innerhalb der Nato".

Hofer, der blaue Taktiker, erwähnt zwar die Wichtigkeit der Beziehungen zur USA, ist sonst aber voll auf der Gudenus-Seite. Die Sanktionen müssten schleunigst aufgehoben, die Beziehungen zu Russland "normalisiert" werden. Dem werden viele auch außerhalb der FPÖ etwas abgewinnen können. Aber wer überlauert die Philosophie dahinter? Umso mehr, als Hofer in der ORF-Klartext-Sendung am Donnerstag Sympathien für einen Beitritt zur ost-mitteleuropäischen Allianz der Visegrád-Staaten erkennen ließ – mehrheitlich ehemalige Satelliten Moskaus, die sich neuerdings wieder um das Wohlwollen des Kreml bemühen.

Diese Art der Neutralität hat man in den 1970er-Jahren "Neutralismus" genannt. Unter der Ägide Titos und Nehrus, des jugoslawischen und des indischen Staatsmannes, war das ein sozialistisch geprägter Auftritt, zu dessen Gipfeltreffen Bruno Kreisky "Beobachter" schickte. Warum sozialistisch? Weil man die Moskauer Investitionen (plus Waffenlieferungen) in Entwicklungsländer befürwortete, gegen Nato-Kontakte opponierte und den Nationalismus forcierte.

Angesichts der Tatsache, dass man selbst in der ÖVP vor lauter Annäherung an die FPÖ in der Flüchtlingsfrage die Geschichte verlernt, wird sogar die Haltung zur Beachtung der Menschenrechte verwischt.

Weil die Türkei nach dem Putschversuch tausende Oppositionelle verhaften ließ, verlangt Hofer, keine türkischen Migranten einzubürgern. Gleichzeitig aber wird von ihm die Fastdiktatur Russland hofiert. (Gerfried Sperl, 18.9.2016)