Der Herzsee, auf der Falschfarbenaufnahme des Mars Reconnaissance Orbiter als graue Fläche links oben zu erkennen, enthielt noch vor rund zwei Milliarden Jahren so viel Wasser wie der Viktoriasee.

Foto: NASA/JPL-Caltech/ASU

Dieser Karte zeigt den selben Bildausschnitt. Die schwarzen Flächen repräsentieren die angenommenen Seen, die blauen Linien stellen jene Schmelzwasserflüsse dar, die die Seebecken gefüllt haben dürften.

Foto: NASA/JPL-Caltech/Smithsonian

Auf dieser Detailaufnahme ist einer der Zuflüsse dargestellt, der in einen der Seen (links oben) mündet.

Foto: NASA/JPL-Caltech/MSSS

Charlottesville/Wien – Auch wenn es die eiskalten, trockenen Wüsten heute nicht vermuten lassen, in seiner Jugendzeit präsentierte der Mars ein durchaus erdähnliches Gesicht. Was Wissenschafter in den vergangenen Jahrzehnten an Daten zusammengetragen haben, deutet gar auf mächtige Ozeane hin, die den Mars vorübergehend beherrscht haben könnten: Satellitenbeobachtungen sowie geologische und chemische Analysen ergaben, dass ausgedehnte salzhaltige Meere vor rund vier Milliarden Jahren die nördlichen Tiefländer des Mars überzogen.

Mehr als ein Drittel seiner Oberfläche war nach dieser Theorie von bis zu hundert Meter tiefen Ozeanen bedeckt, gespeist von starken Regenfällen und zahllosen Flusssystemen, die durch kilometerbreite Canyons rauschten. Untermauert wird dieses Bild vom feuchten, womöglich lebensfreundlichen Planeten von Messungen, die Curiosity beigesteuert hat. Auch im Krater Gale in der Nähe des Äquators fand der seit 2012 auf der Marsoberfläche umherkurvende Nasa-Rover Hinweise auf einstmalige umfangreiche Wasseransammlungen.

Ermöglicht wurden diese Umweltbedingungen von Temperaturen, die zumindest saisonal über dem Gefrierpunkt lagen, und einer bedeutend dichteren Atmosphäre, als sie nun auf dem Mars zu finden ist. Die heute zu über 95 Prozent aus Kohlendioxid bestehende Gashülle enthielt damals einen wesentlich höheren Anteil an Stickstoff und möglicherweise auch Sauerstoff. Letzteres lässt sich aus Manganoxid schließen, das Curiosity heuer im Marsgestein entdeckt hat.

Verlorenes Paradies

Ob unter diesen annähernd paradiesischen Verhältnissen auch Mikroorganismen gediehen, ist Gegenstand zahlreicher Spekulationen. Einige Wissenschafter bezweifeln allerdings, dass diese kurze Phase ausgereicht hat, um Leben hervorzubringen: Vor etwa 3,7 Milliarden Jahren verlor der Mars sein Magnetfeld, vermutlich aufgrund heftiger Asteroideneinschläge, und der Sonnenwind begann damit, die Atmosphäre langsam abzutragen. Zurück blieb jener traurige Rest, der heute den Mars umhüllt. Wasser in flüssiger Form konnte sich unter diesen Umständen nicht mehr an der Oberfläche halten, und so verwandelte sich der Mars in eine weitgehend ausgetrocknete Wüste.

Oder vielleicht doch nicht? Was nun nämlich US-Wissenschafter entdeckt haben, deutet darauf hin, dass auf dem Mars mehrere Hundert Millionen bis eine Milliarde Jahre nach seinem feucht-warmen Zwischenspiel immer noch große Seen und Flüsse existiert haben. Die auf Satellitenaufnahmen identifizierten geologischen Strukturen zeichnen damit ein völlig neues Bild von der Klimageschichte des Mars und lassen zudem den Schluss zu, dass dort wesentlich länger als gedacht Umweltbedingungen herrschten, die mikrobielles Leben begünstigen würden.

"Wir fanden Täler, durch die Wasser in breite Senken geflossen ist", berichtet Sharon Wilson von der University of Virginia in Charlottesville. "Diese Seebecken, von denen wir eine größere Anzahl ausmachen konnten, füllten sich, liefen über und formten so weitere Seen." All das lässt laut der nun im "Journal of Geophysical Research, Planets" präsentierten Studie darauf schließen, dass in der Region vor zwei bis drei Milliarden Jahren beträchtliche Mengen an Wasser vorhanden waren – zu einer Zeit also, als der Mars schon längst den Großteil seiner Atmosphäre eingebüßt hatte.

Gewaltiger Herzsee

Wilson und ihre Kollegen entdeckten die anhand von Kratern datierten Formationen auf Aufnahmen, die der Mars Reconnaissance Orbiter der Nasa von der Region Arabia Terra nördlich des Äquators geschossen hat. Einer der mutmaßlichen Seen fasste ein Wasservolumen von rund 190 Kubikkilometern. Gespeist wurde er von einem Flusstal an seinem südlichen Ende. Im Norden stand der See offenbar mit einem weiteren Gewässer in Verbindung, das noch viel größere Ausmaße gehabt haben dürfte: Dieser von den Forschern aufgrund seiner Form "Herzsee" getaufte Wasserkörper fasste bis zu 2800 Kubikkilometer, also etwa so viel wie der Viktoriasee, der drittgrößte See der Erde.

Warum die Temperaturen hoch genug waren, um Eis zu schmelzen und gewaltige Seen zu füllen, ist vorerst noch unklar. Eine Vermutung haben die Forscher allerdings: Möglicherweise war es zu einer extremen Veränderung der Rotationsachse des Mars gekommen, die dazu geführt hat, dass das Sonnenlicht direkter auf die Polarkappen traf. (Thomas Bergmayr, 17.9.2016)