Schweißer vulgo Metalltechniker ist ein beliebter Lehrberuf. Strittig ist, ob die Ausbildungsplätze zurückgehen, wenn das reglementierte Gewerbe zurückgedrängt wird.

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Wien – Die Koalition hat noch einige harte Verhandlungen vor sich, will sie bei der Lockerung der Gewerbeordnung vorankommen. Im Oktober will Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner einen "ambitionierten" Gesetzesentwurf vorlegen, wie es aus seinem Büro heißt. Der könnte, meinen Verhandler, weiter gehen, als der von der ÖVP dominierten Wirtschaftskammer lieb ist. Vor allem bei den 80 reglementierten Gewerben, für die ein Befähigungsnachweis erforderlich ist, liegen die Positionen weit auseinander.

Andreas Schieder, Klubchef der SPÖ, sprach sich am Freitag für eine Halbierung aus, nannte aber keine konkreten Berufe. Für Peter Haubner, ÖVP-Abgeordneter und Wirtschaftsbund-Generalsekretär, kommt ein derartiger "Kahlschlag" nicht infrage. Bei den reglementierten Gewerben sieht er "wenig Spielraum, um nicht zu sagen, gar keinen Spielraum". Haubner argumentiert mit "Qualität und Qualifikation" von Leistung und Beruf. "Der Bäcker muss der Bäcker bleiben", bringt es der Schwarze auf den Punkt.

Weniger Lehrlinge befürchtet

Im Hintergrund tobt schon längst ein Streit, bei dem es nicht zuletzt um die Zukunft der Lehre geht. Wenn Gesellen- oder Meisterprüfungen nicht mehr Voraussetzung für die Ausübung eines Handwerks seien, werde auch die Lehrlingszahl stark schrumpfen, befürchtet etwa die Wirtschaftskammer. Sie verweist dabei auf die Entwicklung in Deutschland, wo die Zahl der reglementierten Gewerbe 2004 von 94 auf 41 reduziert wurde. Seither sei die Zahl der Lehrlinge um fast ein Viertel zurückgegangen, sagt Reinhard Kainz von der Sparte Gewerbe und Handwerk in der Kammer. Folge war eine "Entqualifizierungsspirale". Entsprechende Erfahrungen habe man auch in Österreich gemacht, seit der "Berufsfotograf" vor zweieinhalb Jahren freigegeben wurde, tönt es aus dem Wirtschaftsbund.

Ganz anders sieht das die liberale Denkfabrik Agenda Austria, die sich für eine Reduktion der reglementierten Gewerbe von 80 auf 15 ausgesprochen hat. Sie verweist auf einen Rückgang der Lehrstellen in Deutschland schon seit 1998, also sechs Jahre vor der Lockerung der Berufszugänge. Das deute eher darauf hin, dass es sich um einen strukturellen Wandel handle, meint der Thinktank. Die Zahl der Lehrlinge sei abhängig von Konjunktur, Demografie und anderen Faktoren und gehe auch in Österreich kontinuierlich zurück: von fast 200.000 Ausbildungsplätzen in den 1980er-Jahren auf zuletzt rund 110.000. Zudem wird hervorgehoben, dass sich die Lehrlingszahlen mit oder ohne Gewerbeschranken gleich entwickelt hätten. Der streng geregelte Zugang garantiert also keine konstanten Lehrstellen.

Gewerbescheine

Handwerk und andere geschützte Berufe sind aber nicht der einzige Streitpunkt. Schieder sprach sich auch dafür aus, die 440 freien Tätigkeiten mit einem Gewerbeschein ausüben zu dürfen. Derzeit benötigt man zwei Bewilligungen, will beispielsweise ein Solariumsbetreiber eine Bräunungsdusche anbieten. In Österreich gibt es gut 600.000 Gewerbetreibende, aber 800.000 Gewerbescheine. Der Wirtschaftskammer sichert das über die Grundumlage hohe Einnahmen.

Die Koalition will auch die Betriebsanlagengenehmigungen vereinfachen. In der ÖVP hält man eine Konzentration aller Verfahren, inklusive Wasser- und Naturschutzrecht, für erforderlich. Die SPÖ will eine Ausweitung vereinfachter Verfahren und genehmigungsfreier Anlagen. Was alle wollen: mehr Unternehmen. (Andreas Schnauder, 17.9.2016)