Die Österreicher wissen nicht, wovon sie reden, sind aber sicherheitshalber dagegen.

Zumindest gilt das für das Freihandelsabkommen zwischen Kanada und Europa, abgekürzt Ceta, und für den internationalen Freihandel generell.

Diese für Kenner der österreichischen Mentalität und der öffentlichen Debatte nicht überraschende Erkenntnis lässt sich in seltener Eindeutigkeit aus einer Umfrage der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE) herauslesen.

73 Prozent der Befragten lehnen Ceta ab. Aber 78 Prozent haben keine Ahnung, was das überhaupt ist, bzw. fühlen sich in der sanfteren Formulierung der Umfrage, "eher schlecht" darüber informiert.

Befragt man aber die Österreicher und Österreicherinnen (Sample: 500) nach der generellen Einstellung zum Freihandel, so zeigen sich 51 Prozent "eher als Gegner", 31 Prozent eher als Befürworter, ein signifikant hoher Prozentsatz (20 Prozent) hatte keine Ahnung oder interessierte sich einfach nicht dafür.

Eine knappe absolute Mehrheit der Österreicher ist also gegen den Freihandel an sich. Dies in einem Land, dessen Wohlstand existenziell vom internationalen freien Handel abhängt. Mehr als die Hälfte aller Waren und Dienstleistungen gehen in den Export. Konkret: 2015 wurden 53,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes von 339,9 Mrd. Euro exportiert. Davon hängen tausende Arbeitsplätze ab.

Die Feindseligkeit gegen Freihandel verwundert niemanden, der miterlebt, wie den Kindern in der Schule beigebracht wird, dass die Globalisierung hauptsächlich aus der Ausbeutung armer Drittweltländer durch böse Großkonzerne besteht; der das tägliche Getöse in der Krone gegen Freihandelsabkommen wie Ceta und TTIP über sich ergehen lässt; der gelernt hat, das amerikanische Chlorhuhn als Ausgeburt des Bösen zu erkennen (und sich nicht fragt, womit die heimischen Schlachthühner in der Plastiktasse im Supermarkt wohl präpariert werden); der dem Trommelfeuer von Attac und Greenpeace ausgesetzt ist.

Abkommen wie vor allem TTIP sind aus dem Wunsch erwachsen, durch einheitliche Handelsvorschriften eine Volumenserhöhung des Handels zu erzielen. Selbstverständlich stehen da auch Interessen von Großkonzernen dahinter, genauso aber die von Klein- und Mittelbetrieben. Selbstverständlich hat etwa TTIP bedenkliche Seiten, die aber noch rauszuverhandeln wären (und bei Ceta schon weitgehend rausverhandelt wurden). Aber die Tendenz, den Freihandel an sich zu verteufeln, wie es in der österreichischen Debatte geschieht, grenzt in einem Exportland an bewusste (Selbst-)Verblödung. Dabei macht nun auch SPÖ-Chef Christian Kern mit, der seine SPÖ-Mitglieder über Ceta abstimmen lassen will. Die Umfrage der ÖGfE, die ein proeuropäischer Thinktank ist, zeigt den jammervollen Zustand des Wirtschaftswissens in Österreich.

Das Problem dabei: Nicht nur beim Freihandel, sondern bei vielen anderen Themen herrscht das System "Nichts wissen (wollen), aber dagegen sein" vor. Wir leben im postfaktischen Zeitalter. (Hans Rauscher, 16.9.2016)