An der TU Wien beim Unternehmerzirkel mybizz: Alexander Mitteräcker (der Standard), Beate Danczul (consentiv), Markus Kienberger (Google) und Aleksandra Izdebska (zuvor DiTech, jetzt neovoltaic). Karin Bauer hat moderiert.

Foto: Hendrich

Wer glaubte, er müsse von der Verwirklichung einer Geschäftsidee auf unabsehbare Zeit nur träumen und all die anderen, die Neues in die Welt bringen, weiterhin nur aus der Ferne bewundern, ohne zu verstehen, wie die das gemacht haben, der wurde in der Vorwoche eines Besseren belehrt: Manfred Reichl, Exchef des Beraters Roland Berger und jetzt Förderer des Unternehmertums, hat unter dem Titel "mybizz" an der Technischen Universität in Wien Frauen und Männer zusammengebracht, die mithelfen und zeigen, wie die Hürden zu unternehmerischer Verwirklichung zu überwinden sind. Unprätentiös, ohne großes Brimborium und persönlich zugänglich. Menschliches wie Zweifel, Ängste und Scheitern inklusive. Da wurde nicht performt, da wurde Klartext geredet.

Den unternehmerischen Geist einfangen

Die schlechte Nachricht: Der vielbeschworene unternehmerische Geist lässt sich nicht von anderen heraus einfangen. Nicht kopieren, nicht nachkochen. Unternehmerinnen und Unternehmer besitzen ihn in jeweils individueller Ausprägung. Gemeinsamkeit: Sie wissen, was sie wollen. Auf dem Weg der Ups and Downs ändert sich lediglich das Wie. Manchmal auch das Was.

"Es ist das eigene Commitment, gemeinsam mit Durchhaltevermögen und eine Handvoll Mitarbeitende, die auf die Mission eingeschworen sind", sagt Google-Österreich-Chef Markus Kienberger zu seinen Ressourcen für Erfolg: "Risiko eingehen in Kombination mit einer tollen Truppe", beschreibt er Entrepreneurial Spirit. Dass Friktionen und Neuorientierung, auch Trennung dabei auf dem Weg liegen, gehöre dazu. Dass es wehtun kann, wenn Vision und Wirklichkeit aufeinanderprallen, wurde auch spürbar. Es habe halt natürlich jeder seine Vorstellungen, das passe in hoher Intensität nicht immer zusammen. Die entscheidende Frage sei: "Wie gut kann man gemeinsam im selben Tempo gehen?", fragt er. Mut, langer Atem und Durchhalten in Durststrecken nennt auch er als zentrale Elemente.

Über Umwege ins Unternehmertum

Ihn hielt es im wissenschaftlichen Feld der Soziologie an der Uni Wien nicht lange, er ging Ende der 90er-Jahre zur Agentur Demner, Merlicek & Bergmann, setzte dort auf das Internet, hob die Onlineagentur media 1 aus der Taufe, bevor er zu Google ging. Dort hat er offenbar den unternehmerischen Gestaltungsspielraum, den er benötigt. Kienberger wird vom Auditorium – die Leute haben für vier Tage mit unternehmerischen Persönlichkeiten aus allen Bereichen 50 Euro gezahlt – viel zum Verkaufsthema befragt. "Verkauf wird oft mit nur aktiver Rolle assoziiert. Für mich ist Zuhören mindestens genauso wichtig. Ich will doch meinen Kunden und dessen Kunden verstehen." Dort liege auch ein Schatz an Innovation. Nicht nur im eigenen Unternehmen.

Innovation ist das eigentliche Stichwort für Alexander Mitteräcker, Vorstand der STANDARD Medien AG und Sohn des Gründers Oscar Bronner. Mitteräcker startete mit einem Architekturstudium, absolvierte dann aber Betriebswirtschaftslehre an der Wirtschaftsuni Wien. In "die Zeitung" wollte er eigentlich nicht. "Ich habe nicht gesehen, was ich da Neues einbringen könnte." Schließlich kam er 1998 doch ins Unternehmen – aber aus der Onlineecke. Seit 18 Jahren betreibt er nun das Onlinegeschäft des Verlagshauses mit all seinen Innovationen. "Damals haben die meisten das Internet nur als Vertriebsmedium gesehen – heute ist es ja eine ganz eigene Mediengattung geworden".

Das Warum ist nicht verhandelbar

Klingt, als wäre es aufgelegt gewesen. War es offenbar nicht – das erschließt sich, wenn er erzählt, wie er auf der Suche nach Umsätzen vielleicht bei Unternehmen Termine erhalten hat, im Glücksfall nicht in der IT-Abteilung, sondern im für Inseratenschaltungen zuständigen Marketing.

Offenbar ergänzt sich dass Spektrum des Entrepreneurial Spirit, geht es auch darum, nicht gleich zusammenzuzucken, wenn andere einem das Scheitern voraussagen und hinter dem Rücken sich so etwas wie die Lautfolge "Versager" formt. Mitteräcker: "Manchmal sind solche Meinungen ja genau der Beweis für das Gegenteil."

"Mich tragen meine Mitarbeitenden und meine Kunden", sagt Beate Danczul, ohne lange nachzudenken. Und der Spirit sei eben genau das Besondere, der mache, "dass wir weiterempfohlen werden". Sie hat 2013 einen Management-Buy-out ihres Unternehmens consentiv getätigt (bietet Company und Employee Assistance mit sieben Standorten und 27 Mitarbeitern an). Was es heißt, wenn Investoren abspringen, wie das ist, wenn sie zu viel oder zu wenig mitreden, das kann sie berichten. "Es macht mir Spaß", sagt die Mediatorin und Unternehmensberaterin, "Dinge dorthin zu tun, wo sie hingehören. Konflikte machen mir keinen Spaß, aber es macht mir Spaß, sie zu lösen." Überzeugen, wirken, tun. So fasst sie zusammen, was sie gern tut. Die Inhalte dafür haben sich nicht verändert: Sie bringt gern Menschen zusammen – und eben Dinge an den richtigen Platz.

Freude an Baustellen

"Eine einzige Aufgabe reicht mir nicht, ich habe große Freude daran, an mehreren Baustellen zu werkeln und Ergebnisse zu sehen", beschreibt Aleksandra Izdebska ihren Unternehmerinnengeist. Dass Menschen wie sie in Konzernen "nicht alt" werden, zeigt ihre Geschichte: Zuerst hochgefeiert als Gründerin der IT-Handelskette DiTech (1999 gegründet, dann schnell 350 Mitarbeiter, 120 Mio. Euro Umsatz), dann ordentlich abgestürzt mit der Insolvenz im März 2014, sagt sie zur Scheiternskultur in Österreich recht sachlich: "Es ist nicht leicht, nach einem Scheitern schnell wieder zu gründen." Deswegen die Konzernentscheidung für Novomatic, die nach zwei Jahren als nicht der ewig richtige Weg erschien. Jetzt ist sie Aktionärin und Aufsichträtin beim Hightech-Fotovoltaik-Spezialisten neovoltaic, hat die Marketingagenden der vegetarischen Gourmetrestaurants Tian inne und einen Aufsichtsjob im neuen Unternehmen ihres Mannes Techbold. Schnelle Umsetzungen sind das, was sie im Tun hält. Dass sich der Gestaltungswille immer seine Bahn bricht, wird auch deutlich.

Es geht, so zeigt sich die Gemeinsamkeit, nie darum, ein Warum zu finden auf dem Weg ins Gründen. Sondern um das Wie und das Zurechtrücken des Was. Hilfe dabei gibt es. Bei mybizz von Unternehmern, die sich öffnen. (kbau, 20.9.2016)