Jetzt ist es offenbar genug. Es herrsche "Krieg", hieß es nach dem parteipolitisch motivierten Gezerre um den neuen ORF-Finanzchef auf dem Küniglberg. Diese Beschreibung beziehe sich nicht nur auf die Stimmung zwischen den SPÖ- und ÖVP-nahen Stiftungsräten – sondern durchaus auch auf das Klima in der Bundesregierung.

Die ÖVP ist empört und sieht die Wrabetz-Entscheidung, die, folgt man den ORF-internen Reaktionen, offenbar sachlich wohlbegründet und gerechtfertigt war, als letzte in einer Reihe von Provokationen – durch Bundeskanzler Christian Kern. Wobei die schwarze Frustrationsschwelle dank der Faymann-Jahre denkbar gering ist.

Dass sich ein Politiker, der de facto von außen kommt, um eine darniederliegende Partei zu übernehmen, gleich einmal kantig positioniert, ist aber wenig überraschend – denn irgendwann werden ja Wahlen kommen, und dann wäre es schon angebracht, vorbereitet zu sein. Dass Kern dabei gleich einmal, wie zuletzt in der konservativen "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", "linke" Überlegungen zur EU-Sparpolitik von sich gegeben hat, ist auch nachvollziehbar. Wie denn sonst soll sich ein SPÖ-Vorsitzender positionieren – noch dazu, wenn er sich von seinem mittig mäandernden Vorgänger unterscheiden möchte (und muss).

Zudem gibt es gute Gründe, die EU-Sparpolitik kritisch zu sehen und Investitionen in die Infrastruktur von morgen zu fordern. Und dass Europas Bürger unter den "Verwerfungen einer globalisierten Ökonomie" leiden, ist auch kein Geheimnis – ebenso wenig, dass die EU darauf bis dato eher unzureichende Antworten hatte. Ernst zu nehmen ist aber auch die Replik von Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP), der in der "Presse" zu bedenken gab, ein möglichst reibungsfreier Welthandel sei gerade auch für Österreich wichtig. Dann folgte Finanzminister Hans Jörg Schelling, der wiederum via "FAZ" betonte, Schuldenmachen auf Kosten künftiger Generationen sei der falsche Weg.

Fast hätte sich eine grundsätzliche ideologische Debatte über die künftige Regierungspolitik Österreichs entsponnen. Das wäre zu schön gewesen: SPÖ und ÖVP streiten konstruktiv über die Zukunft des Landes. Leider musste Schelling Kern aber unbedingt dessen "linke Ideologie" vorwerfen. Woraufhin Kern wiederum die "rechte Ideologie" in der ÖVP kritisierte. Und wieder sorgt man sich jetzt um das Koalitionsklima.

Damit wird eine vielversprechende – und dringend notwendige – Debatte gleich in ihren Ansätzen auf das Klein-Klein im Gartenzwergeland reduziert und letztlich abgewürgt. Statt einander mit kindischen "Links"- und "Rechts"-Vorwürfen totzuschlagen, sollte man jetzt tatsächlich mit einer grundlegenden Debatte beginnen. Ist es möglich, die Rezepte aus der "Mottenkiste" abzustauben, zu verfeinern und mit neuen Zutaten zu versehen – sodass es sich am Ende für alle wieder ausgeht? Und wie tun wir das, ohne uns bis in die siebente Generation zu verschulden?

Es wird ja auch nichts anderes übrigbleiben: Will man sich ewig nur über Flüchtlingspolitik bekriegen und damit den Freiheitlichen den blauen Teppich ausrollen? Soll sich Politik auf tägliche koalitionäre Wetterbeobachtung beschränken? Den Streit ums Grundsätzliche sollte sich die Regierung nicht ersparen. Selbst wenn sie daran zerbricht. (Petra Stuiber, 15.9.2016)