Mit einem Cartoon des Zeichners Ron Tandberg ziehen Österreichs Klimaexperten in ihrem Brief einen Vergleich zu Ex-US-Präsident Bush, der gerne Unangenehmes wegschob.

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Wien – In der Klimapolitik Österreichs geht nicht viel weiter, wird oft kritisiert. Und jetzt beginnen beteiligte Wissenschafter auch noch mit der Politik zu streiten:

In einem geharnischten Brief an vier Ministerien (Wirtschaft, Umwelt, Verkehr, Arbeit) kritisieren die Klimaschutzexperten Nebojsa Nakicenovic (IASA), Karl Steininger (Uni Graz), und Helga Kromp-Kolb (Boku Wien), dass es wieder ein neue Studie dazu gibt, wie in Österreich künftig Klimaschutz gemacht werden soll. Die neue Untersuchung mit dem Titel "Grünbuch für eine integrierte Energie- und Klimastrategie" wurde von zwei deutschen Beratungsunternehmen, und zwar Consentec und Fraunhofer erstellt, der STANDARD berichtete.

"Studien haben wir jetzt aber mittlerweile wahrlich genug", sagt Kromp-Kolb. Was die Expertin besonders stört: Die Studie bezieht den "Österreichischen Sachstandsbericht Klimawandel 2014" des Austrian Panel on Climate Change nicht mit ein. Diese Untersuchung stellt aber den wissenschaftlichen Status quo der heimischen Klimapolitik dar. An dem "Sachstandsbericht" arbeiteten 240 Wissenschafter aus über 50 Institutionen drei Jahre lang.

Mangelnde Quellenbasis

Dass diese Arbeit keine Erwähnung in der neuen Studie deutscher Provenienz findet, kommentieren Beobachter durchaus hämisch. Argumentiert wird, dass man bei den vielen Studien, Grün- und Weißbüchern zum Thema schon einmal die Übersicht darüber verlieren könne, was jetzt eigentlich noch gültig sei. Weiters heißt es, die Regierung habe sich mit der Beauftragung zweier deutscher Institute aus der Umklammerung der Wissenschaftscommunity befreien wollen.

Eine frische Sicht auf die Dinge ist den deutschen Fachleuten in der Studie durchaus gelungen. Bis zum Wochenende kann die interessierte Internet-Community noch Einsicht nehmen und einen Fragenkatalog zur wünschenswerten österreichischen Klimawandelpolitik beantworten. Allerdings macht Kromp-Kolb auch dabei mangelnde Sachkenntnis fest. Viele Fragen könnten so gar nicht mehr gestellt werden, "weil wir nach den Pariser Klimaschutzabkommen uns bereits festgelegt haben".

Die Fragen, die von einigen Nutzern als "streckenweise suggestiv" bezeichnet werden, haben die sonst so mitteilsamen Klimaschutzorganisationen auf die Palme gebracht. Global 2000, Greenpeace und andere riefen zum Boykott der Onlineumfrage auf und schickten ebenfalls einen Brief an die zuständigen Minister plus Bundeskanzler Christian Kern. Darin fragen sie, ob das Onlineconsulting Ernst gemeint ist. "Denn was soll man von einer Frage halten wie 'Soll Österreich langfristige Klimaschutzziele haben?'", sagt Johannes Wahlmüller von Global 2000. (Johanna Ruzicka, 16.9.2016)