Mädchen gelten in Nepal oft als finanzielle Bürde.

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Kathmandu/Dubai – Sapana war erst elf Jahre alt, als man sie verheiratete. Niemand sagte ihr, was in der Hochzeitsnacht auf sie zukommt. "Ich wusste nicht, was zwischen Mann und Frau passiert. Ich mochte es nicht." Mit zwölf bekam sie ihr erstes Kind. Auch Geeta erging es nicht besser. "Sobald ich ins Haus meiner Schwiegereltern zog, musste ich mit meinem Ehemann schlafen." Sie sei höchstens zwölf gewesen.

Die beiden sind zwei von Nepals Kinderbräuten. Obwohl bereits seit 1963 verboten, sind Kinderehen bis heute in dem Himalaja-Staat gang und gäbe. Zehn Prozent aller Mädchen werden vor dem 15. Lebensjahr verheiratet, 37 Prozent vor dem 18. Lebensjahr. Nur in Indien und Bangladesch sind die Zahlen höher. Weltweit sollen 700 Millionen Frauen betroffen sein, die Hälfte davon lebt in Südasien.

"Es hat sich nichts verändert"

Für eine Studie hat die NGO Human Rights Watch (HRW) nun 149 als Kinder verheiratete Jugendliche sowie Ärzte, Lehrer und Polizisten befragt. Die Ergebnisse zeichnen ein düsteres Bild. "Die Regierung verspricht zwar Reformen, doch in den Städten und Dörfern im ganzen Land hat sich nichts verändert", sagt HRW-Expertin Heather Barr.

Offiziell darf man in Nepal zwar erst mit 20 Jahren heiraten. Doch Behörden und Polizei dulden Kinderehen oder segnen sie sogar ab. Besonders verbreitet sind Kinderehen unter den Ärmsten der Armen. Oft zwingt nackte Not die Eltern, ihre Töchter früh wegzugeben. "Wir waren sehr arm und hatten nicht genug zu essen", erzählt die 16-jährige Khushi Sarki, die mit zehn Jahren heiraten musste. Bei ihrem Mann und den Schwiegereltern gehe es ihr besser. "Wir haben ein Stück Land und zumindest etwas zum Essen."

Auch überkommene Traditionen und Aberglaube befeuern die Praxis. Ähnlich wie in Indien gelten im mehrheitlich hinduistischen Nepal Mädchen als finanzielle Bürde. Kinderehen werden in vielen sozialen Gruppen nicht nur akzeptiert, sondern erwartet. Es gilt als glückverheißend, ein Mädchen mit Beginn der Periode zu verheiraten. "In meinem Elternhaus hatte ich meine Regel nur einmal, nach der Heirat noch zweimal. Dann war ich schwanger", sagt Geeta.

Mädchenkörper nicht bereit

Die Frühehen rauben den Kindern oft die Zukunft. Die Mädchen müssen meist die Schule abbrechen und im Haushalt schuften. Der Druck ist riesig, schnell einen Sohn zu gebären. Doch die Körper sind nicht reif für eine Schwangerschaft. Die Säuglings- und Müttersterblichkeit ist um vieles höher als bei älteren Frauen.

Die Uno schätzt, dass insgesamt 600.000 Frauen in Nepal an einem Uterusprolaps leiden, bei dem die Gebärmutter sich so weit senken kann, dass sie sogar aus dem Körper austritt. Andere Mädchen tragen bleibende innere Verletzungen davon. "Nach dem letzten Kind habe ich sehr geblutet", sagt Geeta. "Mein ganzer Körper, mein Rücken tut weh."

Kinderbräute werden sehr viel häufiger Opfer von Gewalt als Frauen, die später heiraten. Viele werden von ihren Ehemännern vergewaltigt oder von den Schwiegereltern misshandelt. Selbst als sie schwanger gewesen sei, hätten ihr Gatte und die Schwiegermutter sie geschlagen – so schlimm, dass sie Blutungen bekommen habe, erzählt Aisha HRW.

Keine Polizeieinsätze

HRW wirft der Regierung Versagen und Untätigkeit vor. "2014 hatte sie versprochen, Kinderehen bis 2020 ein Ende zu bereiten. Mittlerweile hat sie dieses Ziel auf 2030 verschoben. Bislang hat sie keine konkreten Maßnahmen ergriffen, um diese Zielmarken zu erreichen." Obwohl Kinderehen unter Strafe stehen, würde kaum jemand belangt. "Ich habe noch nie von einer Festnahme oder einem Polizeieinsatz gehört, um Kinderehen zu verhindern", zitiert HRW einen Lehrer aus Nepal. (Christine Möllhoff, 16.9.2016)