Heat steht ab heute in Version 1.1 zum Download bereit, eine Druckversion folgt.

Foto: derStandard.at/Pichler

Präsentiert wurde das Werk von Sicherheitsforscher Richard Kreissl (Vicesse), AK Vorrat-Obmann Christof Tschohl sowie Alexander Czadilek (ebenfalls AK Vorrat).

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Der AK Vorrat hat in Wien sein "Handbuch zur Evaluierung von Antiterrorgesetzen" (Heat) vorgestellt. Das über 200 Seiten starke Werk wurde am 11. September fertig gestellt und steht nun kostenlos zum Download bereit (PDF). Eine Druckversion mit Vorwort des UN-Sonderberichterstatters für das Recht auf Privatsphäre, Joseph Cannataci, soll folgen.

Mit dem Abschluss der ersten öffentlichen Version 1.1 jährte sich auch der Anschlag auf die Zwillingstürme des New Yorker World Trade Centers im Jahr 2001. Ein Ereignis, das nicht nur in den USA einschneidende politische Folgen hatte. Auch in anderen Ländern haben die Regierungen mittlerweile die Überwachungskapazitäten der Behörden durch Antiterror-Gesetzgebung teils drastisch ausgebaut und sich herbe Kritik von Datenschützern und Bürgerrechtsaktivisten zugezogen.

Versachlichung angestrebt

Eine Entwicklung, der man mit Heat etwas entgegensetzen will. Angesichts der "überbordenden Gesetzgebung", so erklärte AK Vorrat-Obmann Christof Tschohl, wolle man die Sicherheitsdebatte nun versachlichen. Drastischer formulierte es der renommierte Sicherheitsforscher Reinhard Kreissl (Vicesse): "Die Terroristen haben gewonnen." Denn die Diskussion werde schon lange von Angst und Paranoia dominiert, Privatsphäre und Bürgerrechte eingeschränkt.

Erschwerend komme hinzu, dass die Behörden sich nicht unabhängig evaluieren lassen wollten. Dazu gebe es einen Mangel an Konsequenz im Gesetzerstellungsprozess. Obwohl es mitunter Prozesse zur Wirkungsabschätzung von neuen Gesetzen gibt, werden diese oft nur unzureichend oder ausschließlich auf ihre budgetären Auswirkungen geprüft. Die Regierung operiere oft "im Blindflug".

Umfassende Analyse der Gesetzeslage

Oft würden Sicherheitsgesetze rein anlassbezogen ausgearbeitet, damit eingeführte Instrumente und Befugnisse aber schließlich auch in ganz anderen Bereichen zur Anwendung gebracht. Die in Österreich kurzzeitig eingeführte und schließlich vor dem EuGH zu Fall gebrachte Vorratsdatenspeicherung war einst ebenfalls als Antiterror-Maßnahme beworben worden, kam aber unter anderem auch bei der Aufklärung von Zigarettenschmuggel zum Einsatz.

Hier kontert man im eigenen Handbuch mit einer eigenen, umfassenden Analyse des gesetzlichen und technologischen Status Quo. Dazu hat man auch einen Katalog zur Abwicklung unabhängiger Evaluierungen entwickelt und liefert Handlungsanweisungen. Gedacht ist das Werk als "Handreichung" an Politik und Zivilgesellschaft, primär freilich an Gesetzesmacher gerichtet.

Vorausgegangen war der Erstellung des Katalogs eine Serie von parlamentarischen Anfragen zu Überwachungsthemen, die der AK Vorrat über Neos und Grüne gestellt hatte. Insgesamt hat man 1,5 Jahre an dem Handbuch gearbeitet.

Wachsender Heuhaufen

Heat beschäftigt sich unter anderem mit drei großen Bereichen: Telekommunikationsüberwachung und Auskunftspflichten, die Auswirkungen von Gesetzen auf Berufsgeheimnisträger wie Ärzte, Anwälte oder Medien (Redaktionsgeheimnis) sowie den automationsgestützten, behördlichen Datenabgleich und die damit verbundenen, behördlichen Befugnisse.

Eine bedrohliche Tendenz, der man mit einer Versachlichung entgegenwirken möchte, sei auch die Datensammelwut der Behörden. Die Informationslage sei bereits umfassend und bei vielen Anschlägen, etwa jenem auf den Marathon in Boston, waren die Attentäter bereits behördlich bekannt. Dennoch würde auf der Suche nach der Nadel kontinuierlich der sprichwörtliche Heuhaufen vergrößert.

Bereits in der Praxis eingesetzt

Das Handbuch ist vor seiner Fertigstellung auch schon zu einem praktischen Einsatz gekommen. Es diente als Leitfaden für die Erstellung einer Klage gegen das seit Juli gültige Polizeiliche Staatsschutzgesetz, die im Juni in einer seltenen "Notwehrgemeinschaft" aus Grünen und FPÖ verfasst und beim Verfassungsgerichtshof eingebracht wurde.

Heat soll in den kommenden Monaten erweitert und für unterschiedliche Zielgruppen aufbereitet werden. Man hofft, Vertreter aus Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft an einen Tisch zu bekommen, um zu einem besseren Ausgleich zwischen Freiheit und Sicherheit beizutragen. (Georg Pichler, 15.09.2016)