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Die Digitalisierung wird die Transportbranche weiter verändern. Eine Auswirkung: Durch digitale Frachtbörsen und autonome Fahrzeuge werden weniger Mitarbeiter benötigt.

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Logistik- Berater Joris D'Incà.

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STANDARD: Wie wird sich aus Ihrer Sicht der Trend zu Digitalisierung und Vernetzung im Transportwesen künftig abbilden?

Joris D'Incà: Für die Kunden wird die Transportkette der Logistiker deutlich transparenter werden. Man wird nicht nur jederzeit wissen, wo eine Fracht ist, sondern auch, in welchem Zustand sie ist. Wenn etwa Pharmazeutika anfällig auf Temperaturschwankungen sind, kann man Beschädigungen verhindern, indem man über eine statistische Auswertung der Informationen Teile der Lieferkette optimiert. Zudem werden die Transportzeiten kürzer und wird die Pünktlichkeit verbessert, weil die Elemente der Transportkette miteinander kommunizieren und sich entsprechend abstimmen können. Auf der einen Seite wird also die Transportqualität zunehmen. Auf der anderen Seite werden die Kosten optimiert, weil die Auslastung aktiver und zeitnäher gesteuert werden kann.

STANDARD: Sie verwenden in diesem Zusammenhang das Schlagwort der "Uberisierung" der Logistik. Was verstehen Sie darunter?

D'Incà: Der Begriff übersetzt das Konzept des bekannten US-Fahrtvermittlungsdienstes auf die Logistikbranche. Ähnlich wie beim früheren analogen Konzept der Transportfrachtbörse bringt man Kapazitäten, die auf dem Markt vorhanden sind, mit passender Nachfrage zusammen. Die Digitalisierung führt hier zu mehreren Effekten: Man kann deutlich schneller mehr Marktteilnehmer einbinden und eine Community aufbauen. Die Algorithmen eines solchen "Logistik-Uber" können ausgehend von vorhandenen Kapazitäten und Angeboten optimale Transportläufe sehr zeitnah organisieren. Ein solches System kann viele Variablen berücksichtigen – bis hin zur aktuellen Verkehrsinformation. Zudem kann eine digitale Plattform zusätzliche Services offerieren, etwa eine Abrechnungssoftware für Lastkraftfahrer, die ihre Kapazitäten anbieten.

STANDARD: Viele Logistiker geben Daten nicht gern weiter. Werden die etablierten Player überhaupt Teil dieser Entwicklung sein?

D'Incà: Ich gehe davon aus, dass durchaus auch größere Spediteure interessiert sein könnten, diese Plattformen zu nutzen, um die Auslastung zu optimieren. Das Problem der Transportfrachtbörsen, dass man mit den Eingaben auch offengelegt hat, auf welchen Strecken man Auslastungsschwierigkeiten hat, gab es schon früher. Das wird mit einem digitalen System natürlich noch transparenter. Auf der anderen Seite muss man sich aber auch die Frage stellen, ob man das aktiv betreibt oder von dem Trend überrollt wird. Diese Börsen werden kommen. Entziehen kann man sich dem Thema nicht. Auf jeden Fall werden die Beitreiber auf Fahrer und Kleinunternehmer zugehen, die den großen Speditionen Kapazitäten anbieten. Für sie ist das hochattraktiv.

STANDARD: Die Digitalisierung sorgt via E-Commerce auch für mehr Transportaufkommen in Städten. Wie, glauben Sie, kann man das Last-Mile-Problem angehen?

D'Incà: Definitiv führt E-Commerce zu mehr Volumen. Es gibt mehrere Möglichkeiten, darauf zu reagieren. Einerseits gibt es das Konzept der Packstationen. Wird das Paket nicht nach Hause, sondern an strategisch gut gewählte Standorte geliefert, wird das Verkehrsaufkommen reduziert. Insbesondere in sehr großen Städten werden wir mittelfristig nicht umhinkommen, Provider zu haben, die faktisch den ganzen Bedarf einer Innenstadt abdecken – zum Beispiel mit selbstfahrenden Vans. Die Frage ist, ob die gesetzlichen Grundlagen dafür schnell genug geschaffen werden. Wahrscheinlich müsste die Umsetzung von Privatanbietern getrieben sein, die entsprechende Kooperationen eingehen. Ansätze für solche Last-Mile-Zusammenschlüsse gibt es in Deutschland bereits. Die Tourenplanung wird dynamisch und in Echtzeit ablaufen und automatisch die Verkehrssituation einberechnen.

STANDARD: Kann die Bahn in Zeiten flexibler, digital gesteuerter Transportströme bestehen?

D'Incà: Auch bei der Bahn gibt es noch Potenziale, die gehoben werden können. Es wäre auch hier spannend, Optimierungskonzepte wie digitale Frachtbörsen einzusetzen, um die oft niedrigen Auslastungen zu erhöhen. Der zweite Ansatz wäre eine deutliche Flexibilisierung. Der Prozess, bis ein Zug tatsächlich fährt, ist sehr starr und schwerfällig. Mit den Mitteln der Digitalisierung könnten Ressourcen sehr viel schneller verfügbar gemacht werden, um auf Marktfragen zu reagieren. Die Straße kann auf eine Nachfrage innerhalb weniger Stunden antworten. Bei der Bahn dauert das länger.

STANDARD: Auf der Straße bricht die Zeit autonom fahrender Autos an. Sehen Sie die Logistikbranche als Türöffner in die neue Welt?

D'Incà: Ich gehe davon aus, dass man Druck machen wird, um solche Systeme rasch einzuführen. Die Margen der Straßenspeditionen sind stark geschrumpft. Jede Möglichkeit, die Kosten zu senken, ist willkommen. Neben der Vergrößerung des Ladevolumens ist die Automatisierung einer der größten Hebel. Der limitierende Faktor wird die Regulation bleiben, also die Einführung der gesetzlichen Basis. Nachdem viele Spediteure Dienstleistungen auslagern, besteht die Frage, wie stark man bei den Investitionen einsteigen will.

STANDARD: Wenn Disponenten und Fahrer durch Computer ersetzt werden, werden die Mitarbeiterzahlen sinken.

D'Incà: Absolut. In einigen Staaten wird damit auch das Problem des Mangels an Fahrern gelöst. Die Entwicklungen werden also nicht nur vorangetrieben, um Kosten zu sparen, sondern auch, um einer mangelnden Personalverfügbarkeit zu begegnen. (Alois Pumhösel, 19.9.2016)