Stacheldraht in der Ortschaft Rakovec an der Grenze zwischen Slowenien und Kroatien. Die Regierung in Ljubljana ist verärgert über die strengeren Grenzkontrollen Österreichs.

Foto: AFP / Jure Makovec

Ljubljana/Wien – Man hat das Gefühl, Österreich würde die Abmachungen nicht einhalten, den Flüchtlingspakt unterlaufen, den man gemeinsam geschmiedet hat. Der Deal zwischen Slowenien und Österreich lautete im Frühjahr: Wir organisieren, dass die Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien wieder geschlossen wird, dafür sind wir bereit, die Flüchtlinge, die auf der Route sind, zu versorgen – aber die Schengen-Grenzen müssen wieder offen sein wie vor der Krise.

Trotz des Besuchs von Kanzler Christian Kern beim Amtskollegen Miro Cerar am Montag in Ljubljana hat sich der Ton zwischen den Nachbarn nicht entschärft. Nun streitet man darüber, ob es legitim war, dass Österreich neun Migranten nach Slowenien geschickt hat, die in Österreich nicht um Asyl ansuchen wollten. In Maribor meint man, es sei gar nicht erwiesen, dass sie zuvor aus Slowenien gekommen seien.

Im Hintergrund geht es um die Sorgen in Ljubljana, dass in dem kleinen Land mehr Flüchtlinge "steckenbleiben", je restriktiver Österreich agiert. Im "Dominoeffekt" will man daher jetzt selbst strenger mit dem Nachbarn Kroatien umgehen und Patrouillen an die Grenze schicken. Im Innenministerium in Ljubljana versteht man vor allem nicht, dass Österreich Grenzkontrollen durchführt, wo es doch gar keine "Massenmigration nach Slowenien" mehr gibt. "Die Kontrollen an der der internen Schengen-Grenze sind ungerechtfertigt", wenn man bedenke, dass die Anzahl der illegalen Grenzübertritte nicht gestiegen sei. Zudem würden die Kontrollen zu Verkehrsstaus führen. Tatsächlich war das in den vergangenen Wochen vor dem Karawankentunnel zu beobachten.

Auf Nachfrage informiert die slowenische Polizei, dass die Anzahl der illegal nach Slowenien eingereisten Migranten aber tatsächlich während der Sommermonate gestiegen ist. Der Aufwärtstrend habe damit zu tun, dass sich Migranten in Fahrzeugen verstecken und Straßen- und Bahnübergänge vermeiden würden. Wurden im April in Slowenien 41 Migranten aufgegriffen, so waren es im Juli bereits 83 und im August 154. Insgesamt habe sich aber die Anzahl der Aufgriffe von illegal eingereisten Migranten in Slowenien im Vergleich zum Vorjahr halbiert, so die Polizei zum STANDARD.

Musterknabe Slowenien

Tatsächlich scheint es übertrieben, wegen 154 Migranten im August, also während der Hauptreisezeit von Touristen, den Karawankentunnel zu sperren, wenn man bedenkt, dass im Vorjahr pro Tag bis zu 15.000 Flüchtlinge durch das kleine Slowenien zugereist sind. Zumal Ljubljana darauf hinweist, dass Slowenien musterknabenmäßig die Schengen-Regeln und die Vereinbarung der Polizeidirektoren vom Frühjahr einhält, die zur Schließung der Balkanroute geführt hat.

Der Hintergrund: Bis Juni 2015 war es rechtlich nicht möglich, als Flüchtling durch Mazedonien durchzureisen. Deshalb gingen viele in der Nacht über die Eisenbahngleise, manche von ihnen wurden dabei von Zügen getötet.

Deshalb änderte Mazedonien am 18. Juni 2015 die Gesetzeslage und gab Migranten, die in einem anderen Land um Asyl ansuchen wollten, 72 Stunden Zeit, um auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln durch Mazedonien durchreisen zu können. Dadurch wurde die Reise Richtung Deutschland nicht nur erlaubt, sondern auch viel sicherer und schneller. Nachdem der Korridor nach Mitteleuropa geöffnet worden war, vervielfachte sich der Zustrom. (Adelheid Wölfl, 15.9.2016)